Das now!-Archiv: now! N° 12, Oktober 2002

Die zwölfte Ausgabe des österreichischen Musik- und Pop-Kultur-Magazins now! vom Oktober 2002. 

Am Cover: The Rolling Stones 100% now! Empfehlung: Saybia Album des Monats: Beck Sea Change now!-Interview: Peter Gabriel Interviews & Stories: The Rolling Stones, Saybia, Peter Gabriel, Ashanti, Supergrass, Elvis Presley, Bon Jovi, Chris Rea, Alicia Keys, Christina Aguilera, Ben Kweller, Atomic Kitten, Paul Weller, The See Saw, Hubert von Goisern, Suede, Aimee Mann, The Vines, Saint Etienne, Sophie Ellis-Bextor, Death In Vegas, Ryan Adams, Paul Newman. Moderne Klassiker: The Who My Generation. Talk now! Fragebogen: Sarah Connor.

Das now! Magazin ist im Salzburger now! Media Verlag erschienen, den ich 2001 mit drei Freunden, Hans, Bernie und Joe, gegründet hatte. Als Herausgeber, Chefredakteur & Geschäftsführer fungierte meine Wenigkeit. In den kommenden neun Jahren sollten noch 88 weitere Ausgaben von now! erscheinen.

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In The Year 2022

Meine neuen Lieblingsplatten von A-Z.

2022. Nach all diesen Jahren immer noch verrückt nach Musik. Weil Musik ein, nein, das Lebensmittel, also Überlebensmittel und Lebensverbesserer wie sonst kaum was. Das hier sind meine liebsten, meistgehörten neuen Platten im Jahr 2022. Keine wertende Liste, weil Musik schönerweise kein Sport ist, also von A-Z. Einzige Bedingung (die Beatles sowieso die Ausnahme von Regel) die hier genannten Platten müssen 2022 veröffentlicht worden und käuflich erworbene Neuzugänge in meiner Plattensammlung sein, egal ob als LP, CD oder Download.

Also: Beatles. Beatles. Beatles. Und …

The BeatlesRevolver (Special 2022 Remix Edition, 2 CDs)

BilderbuchGelb ist das Feld (LP)

Elvis Costello & The ImpostersThe Boy Named If (CD)

Elvis Costello & The ImpostersThe Boy Named If (Alive At Memphis Magnetic) [Digital Album]

Channel Three – This Is London/ Small Flat By The Sea (7inch Single, ups, noch eine Ausnahme, 2021)

Kevin Rowland & Dexys Midnight RunnersToo-Rye-Ay As It Should Have Sounded (3 CD Box)

Jochen DistelmeyerGefühlte Wahrheiten (CD)

Familie LässigEine heile Welt! (LP, CD)

PhoenixAlpha Zulu (CD)

The Rolling StonesEl Mocambo 1977 (2 CDs)

Roy Bianco & Die Abbrunzati BoysMille Grazie (LP)

Bruce SpringsteenOnly The Strong Survive (2 LPs, CD)

Harry StylesHarry’s House (CD)

Taylor SwiftMidnights (3 am Edition) [Digital Album]

Tiny Flaws – Imperfection Blues (LP)

Neil Young and Crazy HorseToast (CD)

B-logbook: 21.01.2023: David Crosby war auch ein wichtiger kreativer Mitspieler der Byrds

Als Mitglied der Byrds revolutionierte David Crosby auf den Spuren von Bob Dylan und der Beatles die Beat- und Rockmusik der 1960er Jahre.

Zu viele dieser großartigen, genialen, bewusstseinsverändernden und lebensverbessernden Pop- und Rockmusikveteranen wie David Crosby müssen sich dieser Tage von unserer Welt verabschieden, aber einen anderen Ausweg gibt es nicht. Was bleibt, ist ihre Musik.

Als Mitglied der Byrds revolutionierte David Crosby auf den Spuren von Bob Dylan und der Beatles die Beat- und Rockmusik der 1960er Jahre, mit Platten wie diesen: Fifth Dimension von 1966 und Younger Than Yesterday (1967).

Worte des Abschieds und der Anerkennung von Steve Van Zandt, legendäre E Street Band Musiker, Radio DJ und Schauspieler: „RIP David Crosby. As a member of The Byrds, one of the historically essential artists that created the artform of rock. The Byrds, Bob Dylan, Beatles, Stones, Kinks, Who, Beach Boys & Yardbirds, showed future generations like us what was possible. We owe him, and them, everything.“

Peter Handke: Versuch über die Jukebox

Zum 80. Geburtstag von Peter Handke: Über seine Suche nach der magischen Jukebox.

Beim Lesen von Peter Handkes Versuch über die Jukebox, erschienen 1990 bei Suhrkamp, ein schmaler Band mit 138 Seiten im klaren Großdruck, wird der geneigte Leser auf höchstem sprachlichen Niveau auf eine harte Geduldsprobe gestellt.

Wenn der Dichter so um Seite 40 herum immer noch in der eisigen, nordspanischen Bergkleinstadt umherflaniert, umherschaut, akribisch beschreibt, herumsinniert und zauberhaft poetisiert, wo er denn nun, und wann, und ob überhaupt, seinen Versuch über die Jukebox schreiben soll, möchte man ihm zurufen: „Jetzt machen Sie doch bitte mal, Herr Handke! Ihr Versuch hat doch nur 138 Seiten. Wo bleibt sie denn nun, Ihre Jukebox?“

Aber dann, auf Seite 47, tönt mit einem Mal (I Can’t Get No) Satisfaction von den Rolling Stones aus einem Autobusradio, als der Dichter für ein paar Tage in eine andere Stadt fährt, wo er weiter darüber nachdenken will, was denn nun aus seinem Versuch über die Jukebox werden soll, und er meint: „Ein Lied, das wie kaum ein anderes für jenes Röhren der Jukebox stand, und unter den ganz wenigen war, die sich über die Jahrzehnte in den Jukeboxen in der ganzen Welt gehalten hatten (nicht ausgewechselt worden waren).“ Satisfaction, für den Dichter ein Klassiker. Verblüffend nur, dass der sonst so genau Beobachtendeund Beschreibende im Weiteren von der „raumfüllenden, gleichsam Achtung gebietenden Sonorität der Gitarre Bill Wymans“ spricht, wenn es hier doch entweder „Bassgitarre“ oder „Keith Richards“ heißen müsste, oder?

Ab dem Gitarrenriff von Satisfaction hält des Dichters Versuch über die Jukebox nun voll, was der Titel verspricht. Die Erzählung kulminiert in einer Beschwörung des magischen Sounds der jungen Beatles, deren Platten die ersten „unernsten“ (Handke) Platten waren, die sich der Dichter je gekauft hat. Er erinnert sich daran, wie das war, als damals aus der Jukebox, nachdem er die entsprechende Tastenkombination gedrückt hatte, die Beatles tönten und ihn überwältigten, besonders lieb waren ihm I Saw Her Standing There und Things We Said Today, die er immer wieder herbei drückte. „Auf einmal …“, notiert der Dichter, „scholl von dort aus der Tiefe [der Jukebox – Anm.] eine Musik, bei der er zum ersten Mal im Leben, und später nur noch in den Augenblicken der Liebe, das erfuhr, was in der Fachsprache ‚Levitation‘ [schwereloses Schweben– Anm. ] heißt, und das er selber mehr als ein Vierteljahrhundert später so nennen sollte: „Auffahrt? Entgrenzung? Weltwerdung“

Auch zur Zeit der Niederschrift seiner Suche nach der magischen Jukebox, schwärmt der Dichter über die aus dieser Jukebox in seine Ohren drängende Anfänger-Musik der Beatles noch so wie damals, als er sie zum allerersten Mal hörte: „Wann würde je wieder solch eine Anmut in die Welt treten?“

Ein schöner Gedanke, so vielleicht zum ersten Mal niedergeschrieben. Des Dichters Versuch über die Jukebox ist gelungen.

Peter Handke Versuch über die Jukebox, Suhrkamp Verlag, 1990

Record Collection N° 22: Dr. Feelgood „Stupidity” (United Artists Records, 1976)

Im Jahr 1976 retteten Wilko Johnson und Dr. Feelgood den Rock’n’Roll vor den Dinosauriern des Rock.

Im Mai 1975 führte Rick Wakeman, der Keyboarder der überkandidelten, progressiven, englischen Rockband Yes in London an drei Abenden seine bombastische Rockoper The Myths And Legends Of King Arthur als Eisrevue mit Tänzern in historischen Kostümen auf. Seine pseudoklassische Rittermusik schaffte es sogar bis an die Spitze der englischen Charts. Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, dass der Rock’n‘Roll Mitte der 1970er Jahre ins Koma zu fallen drohte, hier war er. Die Rolling Stones lungerten vollgepumpt mit Drogen in Südfrankreich am Pool herum, Pink Floyd und Led Zeppelin inszenierten immer gigantischere Konzerttourneen und die neuen Pop-Götter, die das Jahrzehnt hervorgebracht hatte, die Stars des Glamrock wie Marc Bolan oder David Bowie, wirkten angeschlagen, ja verbraucht.

In den englischen Pubs, wo zwischen Bier und Fish & Chips abends Livebands die Häuser rockten, formierte sich um Musiker wie Nick Lowe, Dave Edmunds oder Ian Dury sowie Bands wie Brinsley Schwarz, Ducks Deluxe, Kilburn And The High Roads oder Dr. Feelgood eine brisante Untergrund-Szene, die auf schweißtreibenden, hochenergetischen Rock’n‘Roll setzte. Sie spielten unprätentiöse, eingängige Drei-Minuten-Songs, mit simplen Mitsingrefrains und knackigen, vorwärtstreibenden Gitarrenriffs und Beats. Dr. Feelgood gründeten sich 1971, liehen sich den Bandnamen bei einem Song von Aretha Franklin und machten selbst hochoktanigen, minimalistischen Rhythm’n‘Blues und Rock’n‘Roll. Eine explosive Mischung aus Coverversionen alter Klassiker und eigenem Songmaterial, das Wilko Johnson, ihr furioser Gitarrist, für sie schrieb.

Dr. Feelgood waren eine moderne R’n‘B-Band mit jeder Menge Selbst- und genauso viel Stilbewusstsein. Während die meisten Zeitgenossen noch lange Haare hatten, schmuddelige Hippieklamotten liebten und beim Hören von Pink Floyds Dark Side Of The Moon kifften, trugen Dr. Feelgood eng geschnittene, verschärfte Anzüge und hatten schon wieder kurz geschnittenes Haar. Sie sahen aus wie Mafiosi aus einem Film von Martin Scorsese. Schneidige, böse wirkende Typen, denen nie auch nur ein Schmunzeln auszukommen schien. Sie hatten klingende Namen wie Lee Brilleaux (Gesang, Harmonika, Slidegitarre), Wilko Johnson (Gitarre, Gesang), John B. Sparks (Bass) und The Big Figure (Schlagzeug, Backing Vocals), und sie waren eine hart arbeitende, viel schwitzende, hunderte Konzerte pro Jahre gebende Working-Class-Band.

1975 veröffentlichten Dr. Feelgood ihr Debütalbum Down By The Jetty mit einem grobkörnigen Schwarzweißfoto der Band auf dem Cover. Rau, ungeschliffen und aufs Wesentliche entschlackt war auch der Sound der R’n‘B-Kracher, die die Feelgoods meist in nur einem Take aufgenommen hatten. Lee Brilleaux war ein besserer, glaubwürdigerer weißer R’n’B-Sänger als Mick Jagger in diesen Tagen, Wilko Johnson hätte dem damals ausgelaugten Keith Richards zeigen können, wie man jetzt am besten messerscharfe R’n‘B-Riffs und manische Gitarrenläufe spielt. Nach dem zweiten, noch im selben Jahr herausgebrachten Studioalbum Malpractice entschied die Band, ein Livealbum aufzunehmen, das bei zwei brodelnden Konzerten Ende 1975 in Sheffield und Southend-on-Sea, England mitgeschnitten wurde. Abgemischt und produziert wurde es schlussendlich von Vic Maile und der Band selbst im August 1976.

Stupidity fängt die Liveshow von Dr. Feelgood mit ihrer ganzen Energie und Dynamik genauso mitreißend ein wie das grandiose Coverfoto. Während Wilko Johnson wie ein manischer Killer seine Gitarre bearbeitete, stand Lee Brilleaux meist cool herum und schien sich über den Wahnsinnigen an seiner Seite zu wundern, bis auch er in ein fieberhaftes Rasen verfiel, während Schlagzeug und Bass bloß stoisch den Beat hielten. Mit rasanter Geschwindigkeit spielten die Feelgoods alte Rock’n’Roll- und Blues-Hadern wie Talking About You oder I Am A Man, die sie mit der Rasierklinge bearbeiteten. Und Wilko Johnsons eigene schnörkellose, hochexplosive Drei-Akkorde-Kracher wie She Does It Right, Going Back Home oder Roxette, die sie fast schon gewalttätig aus den Boxen prügelten. Wilko Johnson und Dr. Feelgood waren schweißtreibende, mit Vollgas dahinbretternde Naturgewalt.

Als Stupidity im Oktober 1976 veröffentlicht wurde, katapultierte es sich auf den ersten Platz der Albumscharts. Der Bann war gebrochen, der Rock’n‘Roll aus dem Koma erwacht. Die Sex Pistols, The Clash, The Jam, Elvis Costello, Graham Parker, The Police und all die anderen waren nur noch Wochen, Monate entfernt. Die Revolution ausgerufen hatten aber Wilko Johnson und Dr. Feelgood.

Dr. Feelgood Stupidity, United Artists, 1976

(Erstveröffentlicht in: now!, Nr. 2, Oktober 2001, komplett überarbeitet im Februar 2020, aus traurigem Anlass ergänzt im November 2022)

PS.: Als Wilko Johnson 2020 seinen 73. Geburtstag feierte, obwohl ihn die Ärzte wegen einer Krebserkrankung schon für quasi tot erklärt hatten, habe ich diesen Text aus dem Archiv geholt und überarbeitet. Damals ging Wilko Johnson auf eine letzte Abschiedstournee und veröffentlichte im Frühsommer 2014 das fulminante R’n’B-Album Going Back Home mit Roger Daltrey von The Who als Sänger, spielte die Rolle als Henker in mehreren Episoden von Game of Thrones, schrieb 2017 seine Autobiografie Don’t Leave Me Here: My Life (dt. Ausgabe: Das Leben geht weiter) und veröffentlichte 2018 mit Blow Your Mind ein weiteres Kracheralbum. Denn Wilko Johnson wollte noch länger auf diesem Planeten bleiben – aber jetzt hat ihn der Krebs, der mörderische Fiesling doch eingeholt. R.I.P. Wilko – Du furiose Gitarrenfeuerhand.

Record Collection N° 248: Tiny Flaws “Imperfection Blues” (Imperfect Records, 2022) – English Version

The passionate blues rock and rhythm & blues & soul played on the English indie pop combo Tiny Flaws‘ second album is one of my favourite records of 2022.

It’s fitting that a band calling themselves Tiny Flaws called their second album Imperfection Blues. But then again not. Because there are no flaws on Imperfection Blues. Instead, after the tasty, soulful mod soul jazz of the self-titled 2019 debut album, which grooved more in the footsteps of Georgie Fame, you’ll hear smoking blues rock in abundance, but also with a large portion of soul. When listening to the singer on Imperfection Blues you might think of Paul Jones (ex-Manfred Mann) and The Blues Band (from the early 1980s, if anyone remembers), the Animals, the Spencer Davis Group and sometimes even Dr. Feelgood. But beware, the Tiny Flaws are no cheap copycats, despite the mature age of all those involved, Imperfection Blues sounds fresh, vital, and relevant in every groove. This band has many trump cards up its sleeve.

The ace of trumps is Toby Kinder, founder and mastermind of the Tiny Flaws, who dislikes modern pop music with its uniform assembly line sound, homogenized with autotuning and disco beats, which bangs out of every radio, because it lacks any creativity and soul – which is a mirror of our society that’s so keen on one’s perfect individuality but ultimately leading to a self-optimized conformity. Whereas Toby, the son of a music teacher, who became acquainted with The Beatles, The Rolling Stones, The Animals, Mose Allison, and Thelonius Monk through his father, relies on lively, passionate music played by real musicians according to the purity law of yesteryear. The good man himself shines on the Hammond C3 and Wurlitzer organ, on the piano, also on the accordion, if necessary, and even more so as a refined and subtle songwriter.

With Lenny Bignell, the Tiny Flaws‘ second trump card as guitarist and producer, Toby Kinder has played already in the superb mod-soul-jazz combo Gene Drayton Unit, but he also plays organ for the Parisian mod-soul combo French Boutik, where he has filled in for Olivier Popincourt when they play live, and also for The Sound Of Pop Art. Toby met Lenny at a Gene Drayton Unit gig in Brussels and over a few pints of Belgian beer they discovered their musical kinship which has led to the two musicians working together ever since, Bignell joined the Gene Drayton Unit in 2016, Kinder played organ for Bignell’s project The Juks and they continue their fruitful relationship as musical director and producer with the Tiny Flaws.

Bobby Tarlton as the new singer is the Tiny Flaws‘ third trump card that cannot be surpassed, powerfully supported by the rhythm duo Raydn Hunter (bass) and Mark Claydon (drums, also with the Gene Drayton Unit), who set the heartbeat for the Tiny Flaws, he really is the soul of Imperfection Blues. Of course, Bobby isn’t Paul Jones, Eric Burdon, Steve Winwood, or Lee Brilleaux, but hey, he’s Bobby Tarlton, a great rhythm & blues and soul singer who doesn’t need to fear comparison with any of the above greats and whose powerful, crisp blues tone and warm, soulful vocals perfectly match with the Tiny Flaws. And yes, the man in question is the very same Bobby Tarlton, who has been a fixture on London’s mod-soul scene for years and was named “North London’s finest troubadour”, who has in recent years established himself as Doctor Bird (aka Dr Bird) with superb songs, and soulful singing and a multitude of small gigs made himself heard in many places and has gained continually in reputation. Incidentally, it was Bobby, whose singing has already been described as “Van Morrison crashing into Nick Lowe”, who introduced Toby to the members of French Boutik, with whom Toby now plays organ casually, as well as with Dr Bird.

Blues harpist Joff Watkins, one of London’s finest harmonica players, is another trump card in the Tiny Flaws‘ excellent hand, that Gabriela Giacoman, the famous French Boutik singer, further strengthens, she makes a guest appearance on Imperfection Blues as lead singer on the song C’est Different and sings the seductive backing vocals on the dreamy A Boat Called Elsewhere.

The twelve songs of Imperfection Blues were recorded in Lenny Bignell’s home studio in Penge, a London district outside of the centre, in doing so the recordings were made more difficult and were delayed by the corona pandemic, and despite the rhythm duo could never play together in the studio, they grooved like clockwork.

Already the opening Photogenie , where Bobby Tarlton laments as blues shouter impressively about a lost love, sets a first emotional signpost. The second track Long Gone John, originally on the Gene Drayton Unit’s 2006 album At The Jazz Traffic Lights … keeps the tempo in a captivating blues shuffle, relying on Watkins‘ strong blues harmonica like almost all the songs here, and Bobby Tarlton celebrates his blues feelings and advocates making use of the time with the people around you, as long as they are still there because once they’re gone it’s too late. From The Soul with its sweet soulful sound and Memphis Horns-esque horns is a brand new composition and carries its message right in the title, it’s inspired by Toby Kinder visiting Memphis, and Bobby Tarlton knows to use the soul that he’s got in his voice to full effect and lets a pleasant shiver run over your skin. The gorgeous blues rock of Caffiend was first an instrumental on another Gene Drayton Unit record, 2008’s Done & Dusted, and addresses everyone on the album’s penchant for strong coffee. Also, originally a Gene Drayton Unit song, Get That Girl is the record’s secret hit that you can’t get out of your head, and unlike Bruce Springsteen’s early songs which were often about cars and girls, it’s all about that one special girl and even more coffee. And finally, at the end of the first side of the vinyl LP, in C’est Different, Gabriela Giacoman, who also wrote the song, gets her grand entrance, a friendly turn so to speak, which is not without reason reminiscent of Down In The Seine by The Style Council.

The second side of the LP opens with The Ones In Your Head, one of two re-recordings from the Tiny Flaws‘ debut album, it packs a lot more punch than the original, with Lenny’s pounding guitar riff, the howling blues harmonica and Toby’s full throttle organ, and Bobby sings in a class of its own as blues shouter. Whispering City is a highly evocative London ballad set against a jazzy cinemascope backdrop, and Bobby Tarlton once again shows just how much soul he has in his mature voice. The title track, Imperfection Blues comes also from the Tiny Flaws’ debut, and it deals with the fact that it’s the other person’s little mistakes that can make a relationship appealing and that maybe these mistakes are precisely what you miss when everything has gone to pieces. Done & Dusted was at first the 2008 instrumental title track of the album mentioned above, here soul man Bobby Tarlton laments how all hope, dreams and energy are relentlessly going down the drain with progressing age, and the wailing blues harp weeps with him. Definitely one of my favourite songs here, A Boat Called Elsewhere starts with drinking coffee again before the Tiny Flaws set sails towards Style Council Island with Bobby in the bow and Gabriela bewitches him with her sweet siren song. After all, Cake Shop is a cracking update of a soul-jazz instrumental by the Gene Drayton Unit from 2005 and would do credit as theme tune to a TV series, and it’s definitely a worthy la-la-la finale to the record.

The best songs are in your head, Bobby Tarlton sings in The Ones In Your Head, but on Imperfection Blues many of Toby Kinder’s intellectual creations materialize at their finest. As already said, this record is anything but flawed, it’s simply a sensation how good it is.

Tiny Flaws Imperfection Blues, Imperfection Records, 2022

Record Collection N° 248: Tiny Flaws “Imperfection Blues” (Imperfect Records, 2022)

Der leidenschaftliche Bluesrock und Rhythm & Blues-Soul des zweiten Albums der englischen Indie-Pop-Combo Tiny Flaws ist eine meiner Lieblingsplatten von 2022.

Dass eine Band, die sich Tiny Flaws, also kleine Fehler nennt, ihrem zweiten Album den Titel Imperfection Blues gibt, passt. Und auch wieder nicht. Denn Mängel gibt es auf Imperfection Blues mitnichten. Dafür gibt es hier nach dem süffig-souligen Mod-Soul-Jazz des selbstbetitelten 2019er Debütalbums, das noch mehr auf den Spuren von Georgie Fame groovte, rauchenden Bluesrock in Überfülle, aber auch den mit einer großen Portion Soul. Man darf bei Imperfection Blues an Sänger Paul Jones (Ex-Manfred-Mann) und die Blues Band denken (vom Anfang der 1980er, falls sich wer erinnert), an die Animals, an die Spencer Davis Group und auch mal an Dr. Feelgood. Aber Achtung, die Tiny Flaws sind keine billigen Copy Cats, trotz reiferen Alters aller Beteiligten klingt Imperfection Blues in jedem Groove frisch, vital und relevant. Diese Band hat viele Trümpfe im Ärmel.

Das Trumpf-As ist Toby Kinder, Gründer und Mastermind der Tiny Flaws, der moderne Popmusik mit ihrem uniformen, mit Autotuning und Disco Beats homogenisierten Fließband-Sound, der aus jedem Radio pumpert, verabscheut, weil ihr jegliche Kreativität und Seele fehle – sie sei quasi ein Spiegel einer auf Individualität erpichten Gesellschaft, die letztlich aber in eine selbstoptimierte Konformität münde. Dagegen setzt Toby, der Sohn eines Musiklehrers, der durch seinen Vater Bekanntschaft mit den Beatles, den Rolling Stones, den Animals, Mose Allison oder Thelonius Monk machte, auf lebendige, leidenschaftliche, von echten Musikern gespielte Musik nach dem Reinheitsgebot von anno dazumal. Der gute Mann selbst brilliert an der Hammond C3 und Wurlitzer Orgel, am Piano, auch am Akkordeon, wenn mal nötig, und erst recht als feingeistiger Songschreiber.

Mit Lenny Bignell, dem zweiten Trumpf der Tiny Flaws als Gitarrist und Produzent, spielte Toby Kinder schon in der lässigen Mod-Soul-Jazz-Combo Gene Drayton Unit zusammen, aber er orgelt auch für die Pariser Mod-Soul-Combo French Boutik, wo er live für Olivier Popincourt eingesprungen ist, oder für The Sound Of Pop Art. Toby lernte Lenny bei einem Gig der Gene Drayton Unit in Brüssel kennen und über einigen Gläsern belgischen Biers entdeckten sie ihre musikalische Seelenverwandtschaft, die dazu führte, dass die beiden Musiker seither zusammenarbeiten, 2016 schloss sich Bignell der Gene Drayton Unit an, Kinder spielte Orgel für Bignells Projekt The Juks und auch bei den Tiny Flaws führen sie ihre fruchtbare Beziehung von musikalischem Direktor und Produzent fort.

Bobby Tarlton als neuer Sänger ist der dritte nicht zu überbietende Trumpf der Tiny Flaws, druckvoll unterstützt vom Rhythmus-Duo Raydn Hunter (Bass) und Mark Claydon (Schlagzeug, auch bei der Gene Drayton Unit schon dabei), das für den Herzschlag der Tiny Flaws sorgt, ist er die Seele von Imperfection Blues. Bobby ist freilich nicht Paul Jones, Eric Burdon, Steve Winwood oder Lee Brilleaux, aber hey, er ist Bobby Tarlton, ein großartiger Rhythm & Blues- und Soulsänger, der den Vergleich mit obigen Granden nicht zu scheuen braucht und dessen kräftig-knackiger Blues-Ton und warmherziger, souliger Gesang perfekt zu den Tiny Flaws passen.  Und ja, bei ebendiesem Bobby Tarlton, der seit Jahren ein Fixpunkt von  Londons Mod-Soul-Szene ist, handelt es sich um Nordlondons besten Troubadour, der sich in den letzten Jahren als Doctor Bird (Dr Bird) mit superben Songs und beseeltem Gesang vielerorts Gehör und gebührende Reputation verschaffte. Es war übrigens Bobby, dessen Gesang schon mal als „Van Morrison kracht in Nick Lowe rein“ beschrieben wurde, der Toby Kinder mit French Boutik bekannt machte, bei denen dieser inzwischen nebenbei orgelt wie auch mal bei Dr Bird.

Der Blues-Harp-Bläser Joff Watkins, einer der besten Mundharmonikaspieler Londons, ist ein weiterer Trumpf im ausgezeichneten Blatt der Tiny Flaws, das Gabriela Giacoman, die famose Sängerin von French Boutik noch verstärkt, sie gastiert auf Imperfection Blues als Leadsängerin  im Song C’est Different und singt in A Boat Called Elsewhere die verführerischen Backing Vocals.

Aufgenommen wurden die zwölf Songs von Imperfection Blues in Lenny Bignells Heimstudio in Penge, einem Londoner Stadtviertel abseits des Zentrums, wobei die Aufnahmen durch die Corona Pandemie erschwert und verzögert wurden und so etwa das Rhythmusduo nie gemeinsam im Studio stehen konnte, aber dennoch wie geschmiert groovt. Schon der Einstieg Photogenie, in dem Bobby Tarlton als Blues-Shouter so amtlich wie eindrücklich über eine verlorene Liebe lamentiert, setzt einen ersten emotionalen Wegweiser. Das zweite Stück Long Gone John, ursprünglich am 2006er Album At The Jazz Traffic Lights …  der Gene Drayton Unit, hält das Tempo in einem fesselnden Blues-Shuffle, setzt wie fast alle Songs hier auf die starke Blues-Harmonika von Watkins, und Bobby Tarlton zelebriert seine Blues-Gefühle und plädiert dafür, die Zeit mit den Menschen um einen herum zu nützen, solange sie noch da sind, weil wenn sie einmal weg sind, ist es zu spät. From The Soul mit seinem süßen souligen Sound und seinen Memphis Horns-artigen Bläsern ist eine brandneue Komposition und trägt seine Botschaft schon im Titel, es ist inspiriert von einem Besuch Toby Kinders in Memphis, und Bobby Tarlton weiß den Soul, den er in seiner Stimme hat, voll zur Wirkung zu bringen und einem wohlige Schauer über die Haut laufen zu lassen. Der hinreißende Bluesrock von Caffiend war zuerst ein Instrumentalstück auf einer weiteren Platte der Gene Drayton Unit, Done & Dusted von 2008, und thematisiert die Vorliebe aller am Album Beteiligten für starken Kaffee. Get That Girl, ursprünglich ebenfalls ein Song der Gene Drayton Unit, ist der heimliche Hit der Platte, den man nicht mehr aus den Ohren kriegen will, anders als bei Bruce Springsteen, dessen frühe Songs sich oft um Autos und Girls drehten, dreht sich hier aber alles um das eine Girl und noch mehr Kaffee. Und in C’est Different, bekommt Gabriela Giacoman, die den Song auch getextet hat, ihren großen Auftritt, Freundschaftsdienst quasi, der vom Gefühl her nicht umsonst an Down In The Seine von The Style Council erinnert.

Die zweite Seite der Vinyl-LP eröffnet The Ones In Your Head, eine der beiden Neuaufnahmen von Songs vom Debütalbum der Tiny Flaws, es hat durch Lennys stürmisches Gitarrenriff,  der jaulenden Bluesharmonika und Tobys Vollgas-Orgel wesentlich mehr Druck als das Original, Bobby als Blues-Shouter ist eine Klasse für sich. Whispering City ist eine höchst stimmungsvolle London-Ballade vor einem jazzigen Cinemascope-Hintergrund, und Bobby Tarlton zeigt einmal mehr, wieviel Soul er in seiner reifen Stimme hat.Der Titelsong Imperfection Blues stammt wieder vom Tiny Flaws-Debüt und thematisiert, dass es gerade die kleinen Fehler der/des anderen sind, die eine Beziehung reizvoll machen können und dass es vielleicht gerade diese sind, die man vermisst, wenn alles in die Brüche gegangen ist. Done & Dusted war 2008 noch das instrumentale Titelstück des oben schon erwähnten Albums, hier beklagt Soul Man Bobby Tarlton wie mit zunehmendem Lebensalter alle Hoffnung, Träume und Energie unerbittlich flöten gehen, und die wehklagende Blues-Harp weint mit ihm. In A Boat Called Elsewhere, definitiv einer meiner Lieblingssongs hier, wird anfangs schon wieder Kaffee getrunken, ehe die Tiny Flaws mit Bobby vorne am Bug Richtung Style Council Island segeln, und Gabriela ihn mit ihrem süßen Sirenengesang betört. Cake Shop schließlich ist ein resches Update eines soul-jazzigen Instrumentals der Gene Drayton Unit von 2005 und würde einer TV-Serie als Titelmelodie zur Ehre gereichen, ein würdiges La-la-la-Finale der Platte ist es auf jeden Fall.

Die besten Lieder sind in deinem Kopf, singt Bobby Tarlton in The Ones In Your Head, aber auf Imperfection Blues materialisieren sich viele von Toby Kinders Kopfkreationen aufs Feinste. Wie schon gesagt, diese Platte ist alles andere als mangelhaft, es ist schlicht eine Sensation, wie gut sie ist.

Tiny Flaws Imperfection Blues, Imperfection Records, 2022

Elvis Presley: The Day The King Of Rock‘n’Roll Died

August 16, 1977: The man on the radio said, that Elvis Presley has died.

When I wrote a shorter version of this story in German, I have been listening to a lot to some older Bruce Springsteen songs originating from his 1977 and 1978 recording sessions for his fourth album Darkness on the Edge of Town They all hadn’t been used for the original album and were collected in the box set The Promise: The Darkness on the Edge of Town Story released in 2010.

Bruce Springsteen’s sentimental crooning of “Come On (Let’s Go Tonight)” reminded me of the cold, rainy summer of 1977, when punk broke in the United Kingdom and Elvis Presley, the King of Rock’n’Roll, died on the other side of the Atlantic in Memphis, Tennessee at his Graceland mansion. The protagonist in Bruce Springsteen’s song hears “the man on the radio” saying, that Elvis Presley has died today. Devastating news, not only for him. It kind of shattered my teenage life too.

I still remember the day Elvis Presley died like it happened yesterday. I had listened to the radio in my bedroom when I fell asleep and the gentle sound from the radio escorted my sleep through the night. At the end of that special night I suddenly woke up. I was wide awake and heard the newsreader heralding the terrible news about King Elvis. It was just like in Bruce Springsteen’s song: “Now the man on the radio said that Elvis Presley died…“ What a shock, giving me the creeps.

At first, I wasn’t the biggest Elvis Presley fan at all. As a pop music lover I was raised by The Beatles, The Rolling Stones, Sweet, Slade, or T. Rex. But then I watched Elvis Presley’s worldwide satellite concert Aloha from Hawaii on our family’s black and white telly. Boy, what a blast! Ignited I searched for further Elvis Presley stuff. I read John Lennon’s saying, that his world changed totally in 1956 with Elvis’ rock’n’roll big bang Heartbreak Hotel and that The Beatles never wouldn’t have been possible without King Elvis. Being a passionate Beatles fan I went to town and searched in a small record shop for a compilation of Elvis’ hits. I bought Elvis Forever, a double LP with Elvis’ most famous songs, “Heartbreak Hotel”, “Blue Suede Shoes”, “Hound Dog”, “Jailhouse Rock”, “In The Ghetto”, “Suspicious Minds” and all that super fantastic stuff.

But when pubrock and punk came along, I had lost track of Presley’s later music and the pictures that showed him getting fat were pitiful. But on the evening after the day Elvis died, I took the train to Linz, a big city nearby, with my best friend. Norbert and I had formed our first band together, named after a famous Elvis song and were deeply moved by his untimely death. We went to a shabby cinema, where we watched f Elvis‘ Wild in the Country, one of the better Hollywood movies he had made, being still in his prime. It wasn’t utterly brilliant, but it did a good job in soothing the loss we felt.

A few weeks later I was in town again digging for new records. In a small, groovy record store I found Elvis Costello’s now famous album debut My Aim is True. A new Elvis had entered the stage. But that is a different story.

B-Logbook 24.08. 2021: Rolling Stone Charlie Watts is dead

Born on June 2, 1941, in Kingsbury, northwest of London, the legendary drummer of The Rolling Stones, has died today, August 24, 2021, 80 years old in a hospital in London surrounded by his family. He was the heartbeat of The Rolling Stones.

So sad to hear from Charlie Watts‘ passing away. An emergency operation in June and missing the Rolling Stones next tour were signs of bad things coming. Since 1963 he was not only the drummer and time keeper, but also the heart of the Rolling Stones. And there’s no doubt about it that he also was the coolest and most stylish of the Stones. And he was a real British gentleman in its truest sense. I wonder if the other Stones who outlived him will continue without him. Maybe they shouldn’t. Charlie Watts’ opening drum beats in Get Off Of My Cloud are one of the most exciting and most memorable drum beats in the history of pop and rock music. So it’s sheerly incredible that Charlie Watts’ beat has stopped now. May he drum forever – anywhere, anytime.

PS.: In the meantime the seemingly indestructible Rolling Stones really started their North American without Charlie Watts. Will they ever be the same without him? I do dare to doubt it.

The brilliant Charlie Watts drumming pics (c) shot by my dear friend Norbert Mottas. Thanks a lot, Norbert!

Manuel Rubey mit Goldfisch in der Stadt

Manuel Rubey mit Goldfisch am 2. und 3. Juli in Salzburg, ARGEkultur.

Manuel Rubeys Salzburg-Premiere seines ersten Kabarett-Soloprogramms Goldfisch, von der Kritik hochgelobt, hätte am 31. März 2020 in der ARGEkultur stattfinden sollen. Eine Woche, nachdem Rubey am selben Ort mit der famosen Familie Lässig ein rauschendes Konzert spielte. Dann aber Corona und Absage. Kulturstätten zu. Baumärkte und Klopapier systemrelevanter. Zwei, drei optimistische An- und Absagen folgten.

Inzwischen arbeitete Rubey, soweit Corona das zuließ, als Schauspieler für Film und Fernsehen, und schrieb ein Buch, eigentlich die ideale Lockdown-Beschäftigung, wenn man’s kann, mit dem vielsagenden Titel Einmal noch schlafen, dann ist morgen, und vielleicht das eine oder andere Update für Goldfisch, wer weiß? Schließlich wartet die Zeit auf niemanden, davon wussten schon die Rolling Stones ein Lied zu singen.

Am 2. und 3. Juli (2021) ist es wieder mal so weit. Manuel Rubey mit Goldfisch endlich in der der Stadt. Auf der Bühne der ARGEkultur Salzburg. Unsere bejahrten Tickets haben wir noch.

Goldfisch Pics © Klaus Winninger