Record Collection N° 45: Al Green “Lay It Down” (Blue Note Records, 2008)

Der Soul-Prediger jubiliert und schmachtet auf seinem bislang letztem Studioalbum wie in seinen besten Jahren. Weil seine Stimme nichts von ihrer Brillanz verloren hat, und er fest in seinem Glauben an die irdische und die himmlische Liebe verankert ist.

Soul-Prediger Al Green kehrte schon auf seinen ersten beiden Platten für das legendäre Jazz-Label Blue Note Records vom Gottesdienst zurück zu irdischeren Herzens- und Liebesdingen. Also zum bewährten Memphis-Soul-Sound seiner 1970er-Hitalben wie Let’s Stay Together (1972) und I’m Still In Love With You (1972), die er mit dem Produzenten Willie Mitchell für dessen Plattenfirma Hi Records aufgenommen hat. Da Mitchell wieder höchstpersönlich an den Mischpultreglern drehte und viele der alten Musiker von früher mit im Studio waren, funktionierten sowohl I Can’t Stop (2003) als auch Everything’s OK (2005) prächtig, vor allem, auch weil Al Greens Stimme nichts von ihrer Brillanz verloren hatte. Nach Jahren des Irrlichterns hatte der Soul-Sänger seine Muse wiedergefunden, beide Platten wurden zurecht hoch gelobt.

Sein 2008 veröffentlichtes, vorerst letztes Studioalbum Lay It Down ist sogar noch besser geworden. Wir hören seinen allerfeinsten herzwärmenden, seelemassierenden Soul – im Namen der Liebe. Wo die beiden Vorgängeralben aber nur zaghaft versuchten, etwas zu modernisieren, wirkt Lay It Down nicht mehr wie aus der Zeit gefallen. Statt Willie Mitchell fungiert dieses Mal nämlich mit Ahmir „?uestlove“ Thompson, dem Schlagzeuger der HipHop-Experten The Roots, ein viel jüngerer Musikus als Produzent. Er sorgt mit Keyboarder James Poyser (Erykah Badu), Bassist Adam Blackstone (Jill Scott) und den Bläsern der Dap-Kings (Sharon Jones, Amy Winehouse) für einen modernen und zugleich klassischen Soul Sound. Auch Al Greens jüngere Duett-Partner, die Neo-Soul-Stars Corinne Bailey Rae (Take Your Time), John Legend (Stay With Me) und Anthony Hamilton (You’ve Got The Love I Need) fügen sich wunderbar ein ins stimmige Klangbild, besonders schön Al Greens Duett mit Corinne Bailey Rae.

Die elf neuen Songs sind definitiv in Reichweite von Al Greens 1970er Klassikern wie Let’s Stay Together oder Tired Of Being Alone. Schon der Titelsong, der das Album im Duett mit Anthony Hamilton eröffnet, glüht beseelt wie nur was: Über zarten E-Gitarren-Licks, sehnsüchtigen Orgelseufzern, delikaten Streicher- und Bläser-Arrangements schmachtet Al Green wie kein Zweiter. Seine unwiderstehliche Stimme gleitet mühelos zwischen tieferen Lagen und luftigen Falsetttönen hin und her. Auch No One Like You, Take Your Time oder All I Need zeigen den Soul-Prediger von seiner allerbesten Seite. Alles in allem zählt Lay It Down – makellos gesungen, großartig musiziert, voll mit superben Songs – wohl zu Al Greens fünf, sechs besten Longplayern, und das will etwas heißen. Da original alter bzw. nach alt klingender Soul, ob von Amy Winehouse Duffy, Rumer oder Sharon Jones, bei Erscheinen von Lay It Down wieder einmal Saison hatte, hätten vielleicht auch jüngere Semester den Soul Man, den Preacher Man Al Green neu für sich entdecken können. Das ist nicht wirklich passiert. Es wäre ihr Gewinn gewesen.

Al Green Lay It Down, Blue Note Records, 2008

(Erstveröffentlicht in now! N° 70, Juli/August 2008, komplett überarbeitet im April 2023)

(c) Pics taken by the author

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