Ein Blog über Popmusik & Popkultur, Kunst & Kultur, Literatur & Film & Medien, das Leben & anderen Stoff. Interviews, Kritiken, Geschichten – A blog about pop music & pop culture, arts & culture, literature & movies, life & other stuff. Interviews, reviews, stories.
Lieder aus einer Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat: Here Comes The Sun, The Beatles, 1969.
Andersrum: Die Wettervorhersage hat schon wieder die Sonne ausradiert.
Schlag also nach bei Billie Holiday: Where Is The Sun, 1937. Oder bei den Bee Gees: “Where is the sun / That shone on my head”, Spicks And Specks, 1966.
The fab French pop music genius Olivier Popincourt announced the coming of his third Popincourt album We Were Bound To Meet by revealing its cool cover, artwork by the great Serge Hoffman (of French Boutik fame), cover photo by Gerald Chabaud. As the brilliant man from Paris created not only two of my favourite albums in this millennium but for ever and a day, you can tell I’m really looking forward to his third solo record, and honestly, I’m really eager for the ten new songs on We Were Bound To Meet.
The more as Olivier, when we talked in 2020 around the release of A Deep Sense Of Happiness (our splendid interview didn’t materialize to date in a big feature I had planned, for reasons I won’t mention here) told me, that maybe he won’t record another album, because it’s too costly for what seems for him more and more like an expensive hobby. He also seemed quite frustrated that all live events and concerts powering the release of the album had been destroyed by the vicious pandemic.
But now Popincourt is back with the greatly titled album number three, and if there will some sort of crowdfunding to finance its production, I surely will join in.
Bruce Springsteens vier Jahre nach 9/11 veröffentlichtes Album “Devils & Dust”ist seine vielleicht düsterste und unversöhnlichste Songkollektion überhaupt.
Vor der Veröffentlichung von Devils & Dust anno 2005 hatte Bruce Springsteen mit seiner „Vote For Change“-Tour die Wiederwahl von George W. Bush nicht stoppen können, aber er schob diese, wie 1982 seine Nebraska-Platte, in düsteren Sepia-Tönen gehaltene Soloplatte nach, die einem die Gänsehaut aufzieht.
Aufgenommen hatte Springsteen sein dreizehntes Studioalbum Devils & Dustohne die E Street Band, die Lieder dafür hat er fast alle in den späten 1990er Jahren und noch früher geschrieben. Also noch vor den Terroranschlägen des 11. September, die sein 2002er Album The Rising prägten, dessen Produzent Brendan O’Brien auch bei Devils & Dust am Mischpult gesessen ist. In den mit Holperschlagzeug, Geige, Slidegitarre oder Klimperklavier spartanisch instrumentierten Songs geht Springsteen einmal mehr der Misere in den USA auf den Grund und spürt den Schicksalen der Wohlstandsverlierer nach. Zugleich ist er auf der Suche nach einem Sinn im Leben, nach einem Funken Hoffnung, nach heilender Spiritualität, nach dem Glauben an Gott. Und auch wenn da oder dort einmal ein wenig Trost aufkeimt, so dürfte Devils & Dust wohl Springsteens düsterste, unversöhnlichste Songkollektion sein.
Was man dieser überzeugenden Platte nicht antun sollte, ist, sie gegen die E Street Band und die mit ihr eingespielten Platten auszuspielen. Und behaupten, nur der akustische Springsteen sei der wahre, weil reine und tiefschürfende Springsteen. Anders als das ebenfalls akustische 1995er Soloalbum The Ghost Of Tom Joad, das (für eingängige Songs) schon mit sehr vielen Worten angefüllt war, und vielleicht besser ein Roman geworden wäre, erinnern sich die Lieder auf Devils & Dust wieder gängiger Songstrukturen und knapper, präziser Songtexte und ziehen einen voll in ihren Bann – und viele hätten auch mit der E Street Band großartig klingen können. Aber auch das modern klingende, betont sparsame, von Springsteen an den meisten Instrumenten und Produzent Brendan O’Brien kreierte Klangbild, steht den Songs von Devils & Dust bestens. Die eindringlichsten Songs wie die düstere Storys von The Hitter und des Titelsongs, das einsame, traurige Reno, das vom Verlust einer geliebten Mutter kündende Silver Palomino, das melancholische Black Cowboys, das bewegende Flüchtlings/Immigrantendrama Matamoros Banks, sowie die leichtherzigeren All I’m Thinking About, Long Time Comin‘ und Maria’s Bed haben nicht nur den Fokus auf knappe, präzise Geschichten mit Springsteens erster grandioser Soloplatte Nebraska von 1982 gemein. Devils & Dust strahlt trotz des Wissens, dass diese Welt für viel zu viele Menschen eine verdammt schlechte ist, eine große, positive Kraft aus. Und es war neben The Rising Bruce Springsteens stärkstes Album seit Jahren.
Bruce Springsteen, Devils & Dust, Columbia Records, 2005
(Erstveröffentlicht in now! N° 38, Mai 2005, komplett überarbeitet im Mai 2023)
Der nächste Neuzugang 2023 in meiner Plattensammlung: Crucchi Gang – Crucchi Gang von 2020.Entdeckt habe ich die Crucchi Gang, muss ich gestehen, durch meine jüngere Tochter. Das famose Debütalbum der Piefke-Gang stammt von 2020. Ende Mai dieses Jahres erscheint dann die zweite LP mit dem schönen Titel Fellini, die ich naturalmente bereits vorbestellt habe.
Die Crucchi Gang ist eine Deutsch-Italienische-Freundschaft der besonderen Art unter der Regie von Mastermind Francesco Wilking. Zum einen gibt sehr feine originale Songs von Künstlern wie Von wegen Lisbeth, Thees Uhlmann, Sven Regener/ Element Of Crime, Isolation Berlin, Clueso oder Faber beherzt ins Italienische übersetzt und gesungen. Zum andern überrascht Francesco Wilking selbst mit einem Knüller: Bilderbuchs Bungalow als sanft groovender, lässiger Italo-Pop, und ganz groß auch die unvergessene, viel zu früh verstorbene Françoise Cactus (von Stereo Total) mit Trios italisiertem Neue-Deutsche-Welle-Klassiker La La La Io No Ti Amo Non Mi Ami Aha Aha Aha. Tutto perfetto.
Neue Lektüre: Der Autor Nicolas Mathieu, schon ausgezeichnet mit dem wichtigsten französischen Literaturpreis Prix Goncourt, erzählt in seinem brillanten Roman Rose Royal, eigentlich Kurzroman oder besser klassische Short Story/ Novelle, über eine Frau an die Fünfzig, die beschließt, nach zig toxischen Beziehungen kein Opfer mehr zu sein. Doch sie verfällt einmal mehr einem gewalttätigen Mann, bis sie, ja bis …
Die zwölfte Ausgabe des österreichischen Musik- und Pop-Kultur-Magazins now! vom Oktober 2002.
Am Cover: The Rolling Stones 100% now! Empfehlung: Saybia Album des Monats: Beck Sea Changenow!-Interview: Peter Gabriel Interviews & Stories: The Rolling Stones, Saybia, Peter Gabriel, Ashanti, Supergrass, Elvis Presley, Bon Jovi, Chris Rea, Alicia Keys, Christina Aguilera, Ben Kweller, Atomic Kitten, Paul Weller, The See Saw, Hubert von Goisern, Suede, Aimee Mann, The Vines, Saint Etienne, Sophie Ellis-Bextor, Death In Vegas, Ryan Adams, Paul Newman. Moderne Klassiker: The Who My Generation. Talk now! Fragebogen: Sarah Connor.
Das now! Magazin ist im Salzburger now! Media Verlag erschienen, den ich 2001 mit drei Freunden, Hans, Bernie und Joe, gegründet hatte. Als Herausgeber, Chefredakteur & Geschäftsführer fungierte meine Wenigkeit. In den kommenden neun Jahren sollten noch 88 weitere Ausgaben von now! erscheinen.
Neue Lektüre: Jan Weiler – Der Markisenmann. Roman. Der Autor, seit vielen Jahren ein versierter Erzähler mit viel Menschenkenntnis. Aus der Sicht einer 15-jährigen Teenagerin erzählt Weiler tiefgehend und mit lakonischem Witz die Coming-of-Age-Geschichte eines Teenager-Mädchens, das von ihrer Mutter und ihrem neureichen Stiefvater samt nervigem Stiefbruder in sechs Wochen Sommerferien bei ihrem leiblichen Vater gestoßen wird, den sie bisher nie kennengelernt hatte. Eine warmherzige, einfühlsame, humorvolle Geschichte über den grottenschlechtesten Markisenverkäufer seit Erfindung der Markise und seine Tochter, eine verwöhnte, aber von ihrem Leben genervte, irrlichternde Oberschichtsgöre, die plötzlich im eher nicht unglücklichen Lose-Lebens des Markisenmanns auftaucht und dort in einer Randzone des Ruhrpotts quasi auf die wirkliche Welt außerhalb ihrer Oberschichtsblase trifft.
Next new addition to my record collection in 2023: Everything But The Girl’s first new album Fuse after a break of 24 years is no mere nostalgic comeback record. But a blinding manifestation of the skills and class of chanteuse deluxe Tracey Thorn and her partner Ben Watt, electronic beat, and music genius. Together the simpatico duo makes the most wonderful modern pop music writing, singing, and playing superb songs – together again. Just listen to Nothing Left To Lose, Run A Red Light or Lost and you know what I‘m talking about.
Der legendäre Soul-Prediger Al Green setzte 2005 sein grandioses Comeback mit dem himmlisch schönen Album „Everything’s OK“ fort.
Al Green scheint in direktem Kontakt mit Gott, dem Herrn, zu stehen, so es ihn gibt. Anders lässt sich sein grandioses Comeback, begonnen mit dem himmlischen 2003er Album I Can’t Stop und fortgesetzt mit dem ebenso himmlischen Longplayer Everything’s OK, kaum erklären.
Der damals fast 60-jährige Al Green hat die zwölf Songs von Everything’s OK anno 2005 erneut in Memphis mit dem damals schon 76-jährigen Produzenten Willie Mitchell eingespielt, der bereits in den frühen 1970er Jahren sein kongenialer Partner war, bei wundervollen Hits und makellosen Alben wie Let’s Stay Together und Tired Of Being Alone. Und sie sind fast alle so überirdisch schön, dass nachfolgende Soulsänger-Generationen sich kollektiv aus Respekt bekreuzigen müssten.
Ob der Soulschmeichler nun im Titelsong, in Nobody But You oder Build Me Up mit einem eleganten, funkigen Groove und schneidigen Bläsersätzen das Tempo ein wenig anzieht oder in Zeitlupenballaden wie You Are So Beautiful (Billy Prestons unsterbliches Liebeslied), in Perfect To Me oder Real Love seiner Seelenekstase freien Lauf lässt: Al Greens honigsüße Stimme, seine ganze Stimmbanderotik klingt so betörend und supersensitiv wie eh und je. Als Jesus Lazarus von den Toten auferweckte, hat er ihm vielleicht Everything’s OK vorgespielt.
Al Green Everything’s OK, Blue Note Records, 2005
(Erstveröffentlicht in now! N° 36, März 2005, komplett überarbeitet im April 2023)
Die Welt hatte ihn wieder: Nach vielen Gospelplatten und modernistischen Soundversuchen war Soul-Prediger Al Green anno 2003 wiedervereint mit seinem alten klassischen Produzenten Willie Mitchell. Möge seine Stimme nie verstummen.
Ich bin befangen. Nicht nur, dass ich praktisch jede Soul-Platte von Al Green besitze und liebend gern höre, bin ich von diesem Mann auch einmal Ende eines Interviews, zu dem er glücklich lächelnd Stunden zu spät erschienen ist, gesegnet worden. Damals war gerade Al Greens erste weltliche Soul-Platte nach vielen Jahren erschienen. Jahre, in denen Green als Kirchenoberster und Prediger in Memphis, Tennessee, seiner eigenen Full Gospel Tabernakel Church vorstand, und seine süße, einschmeichelnde Samtstimme und unvergleichliche Stimmbanderotik nur noch in Gottes Dienst stellte. Der angebliche Grund: Mitte der 1970er, auf dem Höhepunkt seines Ruhmes, als Al Green wohl der beste und nach zahlreichen wunderbaren Hits wie Tired Of Being Alone und Let’s Stay Together auch der erfolgreichste Soul-Sänger war, soll sich eine eifersüchtige Freundin vor seinen Augen erschossen haben, es gibt aber auch andere schreckliche Versionen. Für den Sänger jedenfalls ein Zeichen Gottes, sein Lotterleben schleunigst zu ändern.
Das 1993 aufgenommene, leicht modernistische AlbumDon’t Look Back hatten die Musiker der Fine Young Cannibals und jüngere Dancefloor-Produzenten für Green geschrieben und produziert. Für das nach einer weiteren zehnjährigen Soul-Pause aufgenommene Album I Can’t Stop hat sich Al Green mit seinem Entdecker und Mentor Willie Mitchell, dem 75-jährigen Produzenten und Co-Autor seiner alten Songs und Platten zusammengetan, und mit vielen seiner früheren Musiker wie den Hodges-Brüder an Gitarre und Bass zusammengetan und in Mitchells Studio in Memphis die neuen Songs geschrieben und gesungen.
Angefangen beim magischen Titelsong klingt I Can’t Stop wundersamer Weise so, als wäre die Zeit so um 1974 herum stehen geblieben. Die herrliche Stimme von Al Green hat kaum gelitten, und Mitchell und seine Studioband versorgen sie mit dem nötigen, sanften, funkigen Groove, heißen Gitarren-Licks, knackigen Bässen, fetten Drums und schneidigen, glühenden Bläsersätzen. Und wenn Al Green nach den ersten fünf Songs, von denen eh schon einer schöner als der andere ist, umgarnt von hingehauchten Frauenstimmen und zartesten Streichern Not Tonight anstimmt und in ein sagenhaftes Liebessäuseln verfällt, ist man wieder mitten im siebten Soul-Himmel. Soul-Ekstase pur. Manna für die Seele.
Al Green I Can’t Stop, Blue Note Records, 2003
(Erstveröffentlicht in now! N° 23, November 2003, komplett überarbeitet im April 2023)