Talkshow/Interviews 15: Willi Resetarits alias Kurt Ostbahn im Gespräch mit Fredi Themel und Klaus Winninger.
Paradoxerweise habe ich Kurt Ostbahn zum ersten Mal zum Interview getroffen, als er mit Ende 2003 in Pension gehen und Willi Resetarits den Vortritt lassen wollte. Er veröffentlichte damals mit Wann de Musik und Vuabei Is gleich zwei Alben mit neuen Songs, für die Kurt und die Kombo die letzten vom leider viel zu früh verstorbenen Ostbahn-Kurti-Erfinder Günter „Trainer“ Brödl genial gedichteten Songtexte vertont haben.
Das Gespräch im sonnigen Burgenland, das mein now!-Redaktionskollege Fredi Themel und ich führten, bestätigte in jedem Satz, was eh keiner Bestätigung mehr bedurft hätte – was für ein herzensguter, milder, liebenswürdiger, lebensweiser, wahrhaftiger, gescheiter, humorvoller, politisch wacher und sozial engagierter Mann dieser Willi Resetarits ist, und was für ein grandioser, leidenschaftlicher beseelter Sänger noch dazu. Reif für höchste heimische Würden und Ehrungen, weil quasi „Österreichisches Weltkulturerbe“.
Fredi Themel/Klaus Winninger: Die beiden neuen Alben sind musikalisch, thematisch und stimmungsmäßig sehr unterschiedlich. Es wirkt so, als wäre das zweite ein typisches Kurt Ostbahn-Album, das erste aber mehr eine Willi Resetarits-Platte. Ist sie nicht schon mehr ein erster Trennungsschritt?
Willi Resetarits: Der Kurtl und der Willi sind ja bis vor kurzem mehrheitlich deckungsgleich gewesen. Erst jetzt in der Folge werden sie auseinandergehen, müssen sie wieder auseinandergehen, damit man den Willi als eigenen Menschen sieht, und damit der Willi den Kurtl dann in die Pensi schicken kann. Siamesische Zwillinge können nicht separat auf Urlaub fahren, wenn sie nicht getrennt sind, daher müssen wir jetzt diese Trennungsarbeit ein bisschen genauer machen. Es hat mit zwei Personen begonnen, einem gewissen Schmetterlinge-Sänger und einem gewissen Kurtl, und die sind dann zu einer Einheit geworden, und damit das Ganze jetzt aufhören kann, gehen sie schön langsam wieder auseinander.
FT/KW: Was werden Kurt und Willi auf Ihren getrennten Wegen machen?
Willi Resetarits: Der Kurtl macht, was er will. Ich vermute, dass er ein Schrebergartenhäusl im Kleingartenverein Simmeringer Haide hat, was er aber nicht sagt, erstens einmal, damit da keine Touristen kommen, die ihm dann – wie man sagt bei den kleinen Schrebergärten – „ins Arschloch eineschaun“, und zweitens, weil es niemanden etwas angeht. Während der Willi auch was macht, was er nicht verraten will, nämlich ein halbes Jahr nichts, und dann andere musikalische oder sonst irgendwelche Bühnenprojekte.
FT/KW: Waren diese beiden finalen Platten von vornherein schon als Abschiedsplatten geplant?
Willi Resetarits: Nein, ein Abschiedsalbum war nicht geplant. Diese Texte vom Brödl sind ja auf an kaputten Laptop gefunden worden ist, der im 95er Jahr hinworden is. Es ist ein Mysterium. Ich sag immer: Ein Narr, der das Schicksal für Zufall hält.
FT/KW: Waren die Kunstfigur Kurt Ostbahn und der Willi Resetarits wirklich die ganze Zeit über total deckungsgleich?
Willi Resetarits: Ja, sowieso, weil es nicht notwendig war zu überlegen, was tät jetzt der Kurtl sagen, der würd sagen, geht’s scheißen, und der Willi würd sagen, ah, ich hab euch so lieb, setzt’s euch her… das war deckungsgleich. Dass man natürlich zuordnen kann, Ostbahn-Auftritt mit nachfolgendem Zwei-Tages-Ziager eher dem Kurtl, politisches Engagement und den Termin beim Innenminister in Sachen Flüchtlingsintegration dem Willi Resetarits, das ergibt sich eh, ist eh logisch, aber nicht amal des ist konsequent durchzuhalten, weil wenn’s mehr bringt, dass der Kurtl sagt: wisst‘s eh, Leutln, seid’s nit deppert und tat’s ma do auf die Ausländer schimpfen.
FT/KW: Stimmt Dich diese Trennung, dieser Abschied vom Kurt Ostbahn auch ein bisschen wehmütig?
Willi Resetarits: Die Wehmut hält sich in Grenzen, weil jetzt so viel zu tun ist. Die beiden neuen CDs, die kommenden Konzerte, wo ich für drei Bands Sachen arrangieren muss, die geplanten Live-Platten, Videos und DVDs. Es ist einfach keine Zeit dafür, das heißt aber nicht, dass sie nicht da ist, die Wehmut. Das alles hat ja vielleicht auch damit zu tun, dass man sie nicht zulassen will, die Wehmut, weil man sich mit Arbeit zuschüttet.
FT/KW: Hatte die Kunstfigur des Kurt Ostbahn über all die Jahre nicht auch den Vorteil, dass Du die Privatperson Willi Resetarits aus der Öffentlichkeit heraushalten konntest? War er eine Art Schutzschild für Dich?
Willi Resetarits: Das war super vom Kurtl. Der Kurtl hat das abgepuffert. Schutzschild ist da gar nicht übertrieben, der Kurtl hat das Willi Resetarits-Privatleben sehr gut abgeschirmt. Forderungen nach der Homestory konnten so immer sehr überzeugend abgelehnt werden.
FT/KW: Wie war es, bei den Aufnahmen der beiden neuen Platten ohne den Texter und kongeniale zweite Ostbahn-Hälfte Günter Brödl auskommen zu müssen, der ja auch „Trainer“ von Euch genannt wurde?
Willi Resetarits: Der Brödl hat schon immer uns das Musikmachen überlassen, aber er hat wahnsinnig genau zugehört und schon etwas dazu gesagt, wenn wir ihn gefragt haben, er hat das beobachtet. Und so haben wir diesmal gesagt, das macht er jetzt eh auch, manchmal, wenn der Luftzug eine Tür zughaut hat, haben wir es dem Günter zugeschrieben – dass er einmal rausgeht. Dann haben wir nachgedacht, ob wir irgendwas schlecht gespielt haben. Das war eine ein bisschen sentimentale, halb ironisch, halb ernstgemeinte Geschichte, dass er eh dabei ist und eine Riesenfreude hat.
FT/KW: Was waren aus Deiner Sicht seine Stärken, warum haben seine Texte den Nerv von so vielen getroffen?
Willi Resetarits: Seine Stärken waren, dass er Geschichten erzählt hat, die uns so vorkommen, als wären sie über uns, mir so vorkommen, als wären‘s über mich und gleichzeitig viele anderen, als ob sie gerade über sie geschrieben worden wären. Er trifft den Ton, das war seine Stärke. Das war das Besondere, was er halt gehabt hat: Aber was ich auch hab und was die ganze Band hat, das ist halt die Freude. So wie der ganze Ostbahn-Ansatz – das haben wir nicht gemacht, damit wir einen Beruf haben oder ein Geld verdienen, sondern wir haben eine Band gemacht, weil es leiwand war.
FT/KW: Eine Kunstfigur wie Kurt Ostbahn kann ja auch eine Art Gefängnis sein: Man ist beschränkt in dem, was man musikalisch machen kann, weil es ganz genaue Erwartungen gibt. Hat Dich die Verantwortung gegenüber den Fans, die Du ja sicher spürst, diesmal in irgendeiner Form gebremst?
Willi Resetarits: Nein. Früher vielleicht ein bisschen. Aber jetzt waren wir durch unsere konsequente Entwicklung so weit, dass wir da waren, wo wir vielleicht schon früher hätten sein können, nämlich dass man sagt: Das was passiert, ist das Richtige.
FT/KW: Wo hättet Ihr schon früher sein können?
Willi Resetarits: Nein, ich nehm das zurück, eigentlich waren wir immer da, wo wir hingehört haben. Aber es hat was Angenehmes, immer noch irgendwo hinkommen zu können. Manche Leute sagen, was wir machen, ist eh schon bekannt, das sind nur Variationen. Ich habe für mich persönlich eine Entwicklung gesehen.
FT/KW: Wie entstehen überhaupt die Songs bei Euch? Wie vermittelst Du Deiner Band, was Du Dir bei einem Lied so vorstellst?
Willi Resetarits: Ich erzähle irgendeine Geschichte dazu, so wie eine Regieanweisung. Bei vielen Liedern ist die Regieanweisung: Es ist vier in der Früh, alle sind besoffen, und der Klavierspieler rafft sich noch einmal auf und spielt ein Lied. Aber es gibt andere Geschichten auch. Quasi anstatt ein Arrangement vorzulegen, sage ich, was für eine Besetzung da spielt, was los ist und wie’s dem Typen geht, der singt und was sich der denkt, und wenn ich gut aufgelegt bin, fallen mir halt irgendwelche Sachen ein.
FT/KW: Und irgendwie ist es Euch immer gelungen, so etwas wie urwüchsigen, österreichischen Rock’n’Roll zusammenzubringen.
Willi Resetarits: Es ist schon amerikanische Musik, die wir spielen, da brauchen wir nicht diskutieren, aber die Texte sind bei uns daheim, und da gibt’s überhaupt keine Amerikanismen. Der Zugang war ja immer der, dass die Musik für mich seit Anfang der 1950er Jahre aus dem Radio gekommen ist, und das ist bei mir daheim gestanden, nicht in Amerika. Wenn man die eigene Biografie hernimmt, ist diese Musik dann eine Art Volksmusik, weil sie, wenn man die Hausübung geschrieben hat nach der Volksschule, aus dem Radio gekommen ist, und die Mutti hat gekocht.
FT/KW: Wie ist man damals in den 1960ern eigentlich wirklich zu Sachen wie Wilson Pickett, Otis Redding oder Solomon Burke gekommen, das hat man doch nicht im Radio hören können?
Willi Resetarits: Nein, in der Zeit war meine Soul-Affinität nur zu befriedigen durch einen „Club 45“, der hieß so, weil er in irgendeiner Bahnzeile Nummer 45 im Keller war, wo irgendwelche Aficionados Verbindungen nach London gehabt und die Platten dahergebracht haben. Da bin ich sofort reingegangen, wenn sie aufgesperrt haben, weil sie als erstes Lied immer gespielt haben: Land Of 1000 Dances in einer Live-Aufnahme von Geno Washington & His Ram Jam Band. Die Platte hast du sonst nirgendwo gehört, man hat also persönlich dort anwesend sein müssen. Dort waren alle, die auf Soulmusik gestanden sind. Man war mit Zeitverzögerung mit dabei, allerdings komplizierter als heutzutage, wo man sich alles irgendwo kaufen kann.
FT/KW: Wenn Du einen Blick zurück wirfst: Was war gut am Ostbahn-Projekt, gibt es auch etwas zu bereuen?
Willi Resetarits: Ich hab‘ ein Problem, dass ich mir die Sachen, die wirklich danebengegangen sind, nicht gut merke bzw. verdränge bzw. schönfärbe. Was es auch sei, ich kann beim besten Willen nicht Auskunft geben über die größte Pleite, vielleicht weil ich kein Magengeschwür haben will oder so. Es war alles wunderbar, wir haben uns pubertäre Träume erfüllt und haben dann die ewige Pubertät ausgerufen. Erwachsene Männer, die in der Pubertät stecken geblieben sind. Und wir haben wunderbare Konzertreisen gemacht, saudeppert, so wie man es sich halt vorstellt, wie man deppert sein muss. Wenn wir rausgefahren sind aus der Stadt – eine wahnsinnige Freud‘ – und das ist bis heute so! Bei der ersten Raststation sind wir sofort reingefahren, ein Sechserblech und Juhu!
FT/KW: Gibt es etwas, auf das Du ganz besonders stolz bist?
Willi Resetarits: Ich glaube, dass wir gut spielen, das freut mich besonders. Da gibt es schon eine gewisse Eitelkeit, die sich darin ausdrückt, dass wir glauben, dass wir die beste Band sind, die es gibt. In Österreich sowieso. Weil wir halt gut sind und Herzensbildung übermäßig da ist und weil wir uns nichts scheißen und ein ganz einfaches sentimentales Lied genauso spielen, wie es sich gehört. Wenn wir einen Kommerzhadern hinknallen wollen, dann knallen wir einen Kommerzhadern hin – und den auch ohne schlechtes Gewissen. Aber das traut man sich nur dann, wenn man die kompliziertesten Sachen aus dem Handgelenk spielt, dass die jungen Kollegen blass werden und die Gitarren und Keyboards zerhacken.
FT/KW: Hat der Willi Resetarits eventuell selbst vor, die Lücke, die der Kurt Ostbahn hinterlässt, auszufüllen?
Willi Resetarits: Keine Ahnung, das will ich echt so machen, dass ich zuerst einmal ein halbes Jahr nix mache und dann das mach’, was ich will, was ich jetzt aber noch nicht weiß, und wenn ich’s dann auch noch immer nicht weiß, jo, dann weiß ich’s nicht.
FT/KW: Hast Du einen Rat für junge, nachfolgende Bands?
Willi Resetarits: Genau dann, wenn du alles hinschmeißen willst, noch einmal sechs Monate dranhängen!
FT/KW: Warum es im Studio keine Ostbahn-Platten mehr geben wird, ist klar. Was spricht dagegen, die alten Sachen live weiterzuspielen?
Willi Resetarits: Weil wir’s dann schon genug geübt haben. Nein, ich weiß nicht, es spricht eh nichts dagegen, außer dass ich mir gedacht habe, es ist uncool.
FT/KW: Könnte das, was Du in Zukunft machen wirst, in Richtung des ruhigeren Wann de Musik-Albums gehen?
Willi Resetarits: Das kann schon sein. Das ruhigere Album ist sicher das, so wie wir heute musizieren.
FT/KW: Warum haben die Österreicher den Kurt Ostbahn eigentlich so sehr ins Herz geschlossen?
Willi Resetarits: Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass das woanders auch gegangen wäre, ich denke, dass die Texte vom Brödl internationale Qualität haben. Mit dem Unterschied, dass sie halt in einem Regionaldialekt gehalten sind. Und ich glaub‘, dass der Ostbahn-Darsteller ein Charisma hat, das ihm auch international keine Probleme gemacht hätte, wenn er nicht einen Regionaldialekt singen würde, den man woanders nicht versteht. Dann noch eine gute Band dazu, das ist eine victory-mixture. Ich glaube, dass wir ganz einfach gut sind. Ich habe sowas immer sehr ungern gesagt, weil man natürlich hofft, dass es die andern sagen, damit man‘s nicht selber sagen muss, aber ich glaub‘, dass wir sehr gut sind in dem, was wir machen.
FT/KW: Kurt Ostbahn hat Dir ermöglicht, Dein Privatleben geheim zu halten. Wir möchten trotzdem gern wissen, wie Deine weitere Lebensplanung aussieht. Wo stehst Du jetzt und wo willst Du noch hin?
Willi Resetarits: Ich will ein angenehmes Leben haben. Ich glaub, ich werde eine wahnsinnige Entlastungsdepression kriegen, weil ich das nicht gewöhnt bin. Und dann halt wieder Musik machen mit Kollegen. Ich liebe ja die guten Musiker noch mehr als die mittelmäßigen, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich auf das verzichten kann und dass ich nicht noch irgendwelche Herausforderungen annehme – wenn’s geht, ein bisschen schwierigere, die sind aber dann meist nicht sehr finanzträchtig.
FT/KW: Was wäre aus Dir geworden ohne die ganze Musik?
Willi Resetarits: Dann wäre ich Lehrer geworden und unglücklich. Ohne Kurt Ostbahn hätte ich eine andere Musik gemacht, weil die Ostbahnmusik geht nur mit dem Günter Brödl, das ist eine chemische Reaktion, die nur mit ihm möglich ist – weil ich teilweise über meinen Geschmack hinausgegangen bin, weil ich auch den Geschmack der anderen Ostbahnhälfte mit abzudecken hatte, was ja eh auch spannend ist.
FT/KW: Warum wolltest Du Lehrer werden?
Willi Resetarits: Weil mir nichts anderes eingefallen ist. Weil ich nach der Matura die Überlegung gehabt habe, wahrscheinlich kann ich von der Musik, die ich gern machen will, nicht leben, daher schau‘ ich mich lieber gleich um einen Brotberuf um, damit ich nicht korrumpierbar bin durch den Zwang des Geldverdienens mit meiner Musik. Das war der Grund, warum ich ein paar Jahre studiert habe. Wenn es die Musik nicht gegeben hätte, wäre ich halt Lehrer geworden, aus Ratlosigkeit.
FT/KW: Wir danken für das Gespräch.
(Erstveröffentlicht in einer gekürzten Version in: now! N° 18, 2003)
Bilder © Universal Music/Lukas Beck