Record Collection N° 33: The Beatles „Please Please Me“ (Parlophone, 1963)

„One, two, three, four!“ – Als Paul McCartney auf „Please Please Me“, dem 1963er Debütalbum der Beatles, eine Zeitenwende einzählte: den Urknall von Pop- und Rockmusik und den gesellschaftlichen Umbruch und Modernsierungsschub der 1960er Jahre.

„One, two, three, four!“ – Der 20-jährige Paul McCartney zählte so nicht nur den elektrisierenden Beat-Kracher I Saw Her Standing There, den Auftaktsong des Debütalbums der Beatles, ein – er behauptete später, eigentlich hätte er „One, two, three, f..k!“ gezählt. Pauls kecke Ansage ist jedenfalls die Initialzündung für den Urknall der Pop- und Rockmusik. Und für den gesellschaftlichen Umbruch und Modernisierungsschub der 1960er Jahre. Mit Please Plase Me  erfanden die Beatles die Beatmusik, also den Sound wie eine Rock- und Popband ab sofort klingen sollte. Energiegeladene Schlagzeug-Beats, melodiös pumpende Bassläufe, das scharfe, dynamische Duo von Rhythmus- und Sologitarre, leidenschaftlicher Gesang und betörende Gesangsharmonien.

Zehn der der 14 Songs von Please Please Mew wurden mit dem für die EMI arbeitenden Musikproduzenten George Martin, einem typisch britischen, vornehmen Gentleman, binnen zehn Stunden am 11. Februar 1963 in den Londoner Abbey Road Studios aufgenommen – obwohl die Beatles eigentlich gerade auf einer Tournee mit der englischen Popsängerin Helen Shapiro waren. Die Aufnahmen wurden aber rasch wegen des ersten britischen Nummer-1-Hits der Beatles, Please Please Me, angeordnet, mit dem sich die vier Musiker aus Liverpool sofort von den vielen anderen britischen Gitarrenbeatbands absetzen konnten, die Anfang der 1960er diesseits des Atlantiks beim Rock & Roll von Elvis Presley Feuer gefangen hatten.

Ihren rauen, furiosen Stromgitarren-Rock & Roll hatten die Beatles in Hunderten von Live-Auftritten in kleinen Szene- und Kellerlokalitäten wie dem Cavern Club in ihrer Heimatstadt Liverpool oder dem Star Club in Hamburg von der Pike auf gelernt, ebenso die schmusigen Herzdrückballaden zum Verschnaufen zwischendurch. Auf der Plattenhülle der von einer deutschen Programmzeitschrift „Hör Zu“ herausgegebenen Sonderauflage von Please Please Me lockte der Werbespruch „Die zentrale Tanzschaffe der weltberühmten Vier aus Liverpool“. Falsch war das nicht, denn selbst zu den langsameren Songs auf der Platte ließ sich ob ihres lässig schäkernden Grooves gut tanzen.

Die englische Originalhülle zeigte das legendäre Foto der Fab Four im Stiegenhaus des Londoner EMI-Hauptquartiers. Ende der 1960er stellten die Beatles mit langen Haaren und Bärten das Foto noch einmal nach – für das Cover des letztlich nicht realisierten Get Back-Albumprojekts. Auf der Cover-Rückseite die schlichte Vorstellung der vier jungen Musiker, man beachte die Reihenfolge: George Harrison (Sologitarre, noch keine 20 Jahre alt), John Lennon (Rhythmusgitarre, 22), Paul McCartney (Bassgitarre, 20), Ringo Starr (Schlagzeug, 22).

Vier Namen, die man sich fortan merken sollte. Ihr explosiver Mix aus Rock & Roll-Krachern und Schmachtfetzen – aus acht klasse Eigenkompositionen und sechs gut gewählten fremden Songs aus ihrem erprobten Live-Programm – kündigte Großes an. Eingerahmt wird Please Please Me von zwei der zündendsten Dynamitrocker, die die Beatles je aufgenommen haben. Das selbst geschriebene I Saw Her Standing There geht gleich zu Beginn gewaltig los. Die Lichter bläst am Ende der welterschütternde Rock’n’Roll von Twist and Shout aus, das sich die Beatles genauso selbstverständlich zu Eigen machen wie alle anderen Coverversionen der Platte.

Während John Lennon sich ohne Rücksicht auf seine malträtierten Stimmbänder durch Twist and Shout schreit, schmachtet er auch Burt Bacharachs Baby It’s You mit großer Leidenschaft. Paul McCartney kehrt in A Taste Of Honey schon einmal den charmant charismatischen Romantike hervor, allerdings einen mit rauer Schale. Und der von Carole King geschriebene Girl-Group-Hit Chains wird von John, Paul & George mit perlendem Harmonie-Gesang vorgetragen, der auf den 2009er Beatles-Remasters noch brillanter strahlt.

Die Gesangsparts zählen neben Bass und Schlagzeug zu den großen Gewinnern der 2009er Remasters des gesamten Beatles-Katalogs. Welche Nuancen der kraftvoll klare, transparenter abgestimmte Sound jetzt hörbar macht, tritt auch in Boys zu Tage, das Schlagzeuger Ringo singt. Die Rhythmus-Gruppe mit Ringo Starrs dynamischem Getrommel und Paul McCartneys druckvollem, hochmelodiösem Bassspiel ist eine Offenbarung und auch George Harrisons schneidige Sologitarre fetzt voll in der Manier von Country-Gitarrist Chet Atkins. Die Eigenkompositionen, die hier übrigens noch dem Duo McCartney/Lennon zugeschrieben sind – ab dem zweiten Album With The Beatles sollte es Lennon/McCartney heißen –, werden von den beiden Hitsingles Love Me Do und Please Please Me angeführt – zwei famose Rock’n’Roller, denen Misery oder There’s A Place nicht nachstehen. Süßlich säuselnd hingegen die Balladen P.S. I Love You, Ask Me Why und das von George Harrison gesungene Do You Want To Know A Secret.

Die 1987er CD-Ausgabe brachte die ersten vier Alben der Beatles im klassischen Mono-Sound, der stumpf und dumpf aus den Lautsprechern kam. Die 2009er Remasters präsentieren dagegen erstmals George Martins Stereo-Mix aus den 1960ern auf CD – mit der  gewöhnungsbedürftigen Links-/Rechts-Aufteilung von Instrumenten und Stimmen, die in vollem Effekt aber schon enormen Druck machen kann. Die in der The Beatles In Mono-Box neu remasterte, originale Monoversion klingt aber noch energiegeladener, rauer, wilder – voll auf den Punkt. Ganz abgesehen davon, dass die Beatles selbst aus dem läppischsten Plastikradio und der stumpfesten Küchenmaschine noch hinreißend rausrocken – so gut wie anno 2009 haben die Beatles seit den alten Vinyl-Platten der 1960er Jahren nicht mehr geklungen.

Please Please Me ist auch Jahrzehnte nach seinem Entstehen noch taufrisch, voll Charisma, jugendlicher Energie und unwiderstehlichem Enthusiasmus.

The Beatles Please Please Me, Parlophone, 1963/2009

© Please Please Me pics taken by the author.

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