Paul Wellers achte Solo-LP verknüpft die losen Fäden seiner Karriere zu einem weiteren Meisterwerk.
Das neue, achte Soloalbum von Paul Weller, ist rundum gelungen, ja brillant – der Modfather auf einem weiteren Gipfelpunkt seines Schaffens. Was sich schon auf dem 2002er Werk Illumination, aber auch auf seinen letzten Tourneen abzeichnete, findet hier seine Vollendung. Paul Weller hat die latent schwelende, kreative Krise der späten 1990er Jahre überwunden, als er wohl zu verbissen um seine Muse rang und zugleich mit dem unausweichlichen Älterwerden haderte. Und auch die plötzliche Schreibblockade scheint wie weggeblasen, die er 2004 mit der spielerisch leichten und in ihren besten Momenten zauberhaften Coverversionen-Platte Studio 150 überbrückte.
Seine kreative Muse, 2002 auf Illumination schon wieder im Keimen, kehrte wieder zu ihm zurück, rascher als zu erwarten war. Lange hat Paul Weller ja versucht, seine musikalische Vergangenheit bei The Jam und The Style Council zu ignorieren, auch das vielleicht ein Grund, warum er mitunter gar so verkrampfte. Jetzt aber hat er seinen Frieden mit seiner Geschichte gemacht, seinen Triumphen und seinen Tiefschlägen. Auf As Is Now verknüpft er alle losen Fäden seiner Karriere zu einem reifen Meisterwerk, einem der besten seiner Solokarriere, die er Anfang der 1990er als 34-Jähriger gestartet hat.
Damals hatte Paul Weller schon zwei erfolgreiche Karrieren hinter sich. Als zorniger, ungestüm leidenschaftlicher Sänger, Gitarrist und Songschreiber von The Jam, jenem Trio, das er schon als 17-Jähriger gründete, mit 19 zum ersten Mal in die britischen Charts führte, und als 24-Jähriger auf dem Höhepunkt des Erfolg wieder auflöste, was ihm viele Fans bis nicht verzeihen konnten. Nur weil Weller nicht länger als Sprecher seiner Generation in Geiselhaft genommen werden wollte und musikalisch längst breiter gefächerte Interessen hatte. Er gründete stattdessen mit Mick Talbot, einem Soul-Bruder im Geiste, The Style Council, ein Musikerkollektiv, das mit großer Spielfreude und befreiender Offenheit experimentierte, im weiten Land zwischen Soul, Funk, Jazz, Rhythm & Blues und purem Pop, zuletzt sogar mit dancefloor-tauglichen House-Rhythmen.
Paul Wellers Solokarriere schließlich war geprägt vom Ringen um Inspiration, von Standortbestimmung und Sinnsuche des älter gewordenen Musikers und von seiner ungebrochenen Liebe und Leidenschaft zur Musik, zum Rhythm & Blues und Soul, zum Mod Beat der Small Faces, The Who oder Kinks.
Begleitet von einer famosen Band mit Steve Cradock (Lead Guitar & Vocals), Steve White (Drums) und Damon Minchella (Bass Guitar) rockt Paul Weller (Vocals, Rhythm Guitar, Piano) auf As Is Now deutlich kraftvoller und lauter als auf seinen letzten Platten, die 14 Songs tönen aber vielschichtig und abwechslungsreich. Mitunter könnte man meinen, Weller hätte sich einer Frischzellenkur unterzogen. Auf As Is Now wird wie bei den nur kurz dauernden Aufnahmesessions nicht lange gefackelt. Der Albumtitel ist Programm: Wo etwa ein Neil Young mehr in der Vergangenheit schwelgt bzw. von der Gegenwart Abschied nimmt, stehen Wellers neue Songs voll im Hier und Jetzt.
As is Now beginnt gleich überraschend stark und energiegeladen, mit drei von Paul Wellers feinsten Songs: Blink and You’ll Miss It, das einmal mehr Veränderung und Vergänglichkeit thematisiert, Paper Smile und Come On/ Let’s Go verbinden die brisanten Gitarrenriffs der frühen Jam mit schwelgenden Melodien. Das furiose From The Floorboards Up, die erste Single aus dem Album, ein punkiger Rhythm & Blues-Stomper, huldigt im messerscharfen Stakkato-Gitarrenriff Takt um Takt einem von Wellers Jugendhelden, nämlich Wilko Johnson, dem Wahnsinnsgitarristen der genialen, englischen Prä-Punkband Dr. Feelgood. Im beschwingten Here’s the Good News oder dem bezaubernden Liebeslied The Start Of Forever erweitert Weller die Klangpalette um Klavier, Bläser und Akustikgitarren.
In Pan, das den Gott der Schöpfung, eines neuen Morgens und Neustarts besingt, wagt Weller sich in die spirituelle Gefilde von John Coltranes Jazz-Klassiker Love Supreme. Das ländlich-folkige All On A Misty Morning feiert schöne Frühlingsgefühle. I Wanna Make it Alright, mit delikater Sologitarre, und Fly Little Bird sind zarte, wonnige Liebeslieder. Das hübsche Roll Along Summer, mit Saxophon-Solo, erinnert sich an den himmlischen Long Hot Summer von The Style Council.
Savages ist ein zornig-leidenschaftliches Lied über die katastrophalen Zustände auf unserem Planeten, wie es Weller schon länger nicht geliefert hat. Das siebenminütige Bring Back The Funk Pts 1 & 2, groovt knackig wie Style Councils Money-Go-Round – ein Manifest unstillbarer Sehnsüchte. Und mit The Pebble And The Boy gibt es ein besinnliches Balladenfinale im Klavier-und-Cello-Arrangement, wie es Weller vielleicht schon mal vorgeschwebt sein mag, so ihm aber noch nie gelang.
Alles von Meisterhand hier: As Is Now ist grandios, mitreißend, schönerweise auch herzwärmend. Noch mehr Freude macht die Doppel-LP im dicken Kartonklappcover und mit lässig gestylten, fest kartonierten Innenhüllen, auf denen die Songlyrics (gut lesbar) abgedruckt sind. „This record was made over the space of two weeks in March, April & May”, schreibt Paul Weller innen am Cover. „The spring months recorded in a beautiful wooden barn, all played live as you hear it now. It was a joy to make. We hope you like it.” Yes, we do.
Paul Weller, As Is Now, V2 Records, 2005
(Veröffentlicht in: now!, Nr. 42, Oktober 2010, im Juli 2020 komplett überarbeitet)