Frank Zappa: „Jeder Dirigent ist ein Diktator!“

Talk Show/Interviews 06: Frank Zappa.

Im Gespräch mit dem großen Enfant terrible der Rockmusik im Sommer 1992 in Frankfurt anlässlich der Veröffentlichung seines Albums Yellow Shark mit dem Ensemble Modern, eines der letzten Interviews, die Frank Zappa gegeben hat.

Sommer 1992: Der 51-jährige Frank Zappa, einst Bürgerschreck und Rockexzentriker vom Dienst, zog gerade – schwer erkrankt –  Bilanz und versuchte, sich seinen Platz unter den großen Komponisten des 20. Jahrhunderts zu sichern. Er leitete selbst die Neuauflage seines umfangreichen Werkkataloges auf CD und edierte laufend Veröffentlichungen alter Konzertmitschnitte. Als Tüpfelchen auf dem „I“ hatte er damals mit „The Yellow Shark“ auch noch ein abendfüllendes Programm avantgardistischer E-Musik komponiert, das er gemeinsam mit dem Frankfurter Ensemble Modern und der kanadischen Tanztheater-Truppe La La La Human Steps am 26. und 27. September auch im Wiener Konzerthaus aufführen wollte. Letztlich musste er aber wegen seiner weiter fortgeschrittenen Erkrankung – er verstarb schließlich im Dezember 1993 – seine Teilnahme absagen, Während sich bei unserem Interviewtermin in Frankfurt eine Hundertschaft von Journalisten während der abschließenden Probenarbeiten mit einer Pressekonferenz bescheiden musste, wurde ich damals vom Meister zu einem, eine knappe halbe Stunde währenden Einzelgespräch gebeten. Eine eindrucksvolle Begegnung mit einem blitzgescheiten, trotz seiner Krankheit hellwachen Querdenker.

Klaus Winninger: Sie hatten immer den Ruf eines Kämpfers wider das bürgerliche Establishment. Heute arbeiten Sie für „The Yellow Shark“ mit Operndirektoren, einem seriösen Orchester und Konzernmanagern zusammen. Fühlen Sie sich dabei immer wohl?

Frank Zappa: Sagen wir es so: Ich will ganz einfach, dass meine neuen Kompositionen aufgeführt werden.

KW: Stört es Sie auch nicht, dass „Yellow Shark“ von Siemens, einem multinationalen Großkonzern, gesponsert wird? Schließlich haben Sie früher oft gegen die gigantischen Wirtschaftskonzerne gewettert, weil diese die amerikanische Politik maßgeblich diktieren würden.

Frank Zappa: Das Herzstück meines Studios ist ein riesiges Mischpult, das von einer Siemens-Tochterfirma hergestellt wurde. Es ist also wenigstens so, dass es zum Sponsor eine sinnmachende Verbindung gibt. Außerdem bin ich wirklich froh, dass sich endlich jemand gefunden hat, eine meiner musikalischen Visionen zu finanzieren. Bislang musste ich noch jedes Mal selbst tief in die Tasche greifen. Zuletzt habe ich 1988 die „Broadway The Hardway“-Tournee inszeniert und damit 400.000 Dollar verloren, weil ich selbst die Musiker bezahlt habe und so fort.

KW: In der Vergangenheit hatten Sie bei der Zusammenarbeit mit klassischen Orchestern ja nichts als Probleme.

Frank Zappa: Der entscheidende Vorteil des Ensemble Modern ist, dass es eben kein normales Orchester ist. Orchester sind nicht nur zahlenmäßig grösser als die 25 Musiker dieses Ensembles, sie hängen meist auch noch von politischen Institutionen ab. Man muss sich ständig mit der Bürokratie herumschlagen, die das Orchester finanziert – und die Musiker sind auch noch stinkfaul.

KW: Mit Musikern, die Ihnen als zu faul und unfähig erschienen, hatten Sie auch in Ihren Rockbands immer wieder Differenzen. Stimmt das?

Frank Zappa: Ja, es war die Hölle. Das Ensemble Modern ist da das genaue Gegenteil. Sie proben wie die Besessenen und sind außerdem allesamt brillante Musiker. Sie konnten bis jetzt alles spielen, was ich ihnen an Kompositionen vorgelegt habe. Selbst jene, bei denen ich ganz sicher war, dass sie scheitern würden.

KW: War der fortwährende Verdruss mit Musikern und Orchestern der Grund dafür, dass Sie Ihre letzten Platten allein im Studio mit dem Synclavier, einem digitalen Zauberkasten, komponiert und eingespielt haben?

Frank Zappa: Das kann gut sein. Obwohl ich etwa die Arbeit mit dem Ensemble Modern wirklich schätze, ist es mir heute wesentlich angenehmer, ganz allein zu arbeiten. Das ist viel unkomplizierter.

KW: Was Ihre Zusammenarbeit mit anderen Musikern anlangt, sind Sie als strenger Diktator berüchtigt – mit Recht?

Frank Zappa: Natürlich. Jeder Bandleader und jeder Dirigent ist ein Diktator. Jemand muss ihnen ja sagen, wann sie lauter und wann sie leiser spielen sollen. Und wenn es um meine Musik geht, tue das eben ich.

KW: „The Yellow Shark“ ist in Ihrem Schaffen ja kein Einzelfall. Schon seit Ihrer frühesten Jugend hat es Sie zwischen Rock ’n‘ Roll und moderner E-Musik hin- und her gerissen.

Frank Zappa: Meistens habe ich sogar beides gleichzeitig gemacht. Eine Rocktournee absolviert und nachts im Hotelzimmer an einer Symphonie gearbeitet. Aber die einzige Musik, die ich lange Zeit aufführen konnte, war Rock ’n‘ Roll. Jetzt hat sich das glücklicherweise geändert.

KW: Ein Projekt wie „The Yellow Shark“ macht den Eindruck, als hätten Sie es partout darauf angelegt, endliche als seriöser moderner Komponist respektiert zu werden. Trifft dieser Eindruck zu?

Frank Zappa: Ich muss und will niemandem etwas beweisen: Schon gar nicht dem Ensemble Modern. Wenn die Musiker meine Musik auf den Notenblättern vor sich haben, wissen sie, dass das bester Stoff ist und kein billiger Schwindel. Punkt.

Frank Zappa The Yellow Shark, Rhino, 1993

(Veröffentlicht in: Wiener, September 1992, komplett überarbeitet im Jänner 2020)