Record Collection N° 60: The Beatles “Beatles For Sale” (Odeon/EMI Records, 1964)

Das vierte Album der Beatles, „Beatles For Sale“ ist nicht ihr bestes, aber eine großartige und mitreißende Platte. Und die erste, die in meinem jungen Leben auftauchte, Licht und Hoffnung in meine Provinzwelt brachte und mein jugendliches Selbst veränderte.

Der amtlichen Beatles-Geschichtsschreibung gilt Beatles For Sale, das vierte Album der Fab Four, als einer der schwächeren Beatles-Longplayer. Dieses Urteil ist, mit Verlaub, falsch. Natürlich hat Beatles For Sale im extragrandiosen Kanon der Beatles-Alben keinen leichten Stand, aber auch keine leichte Entstehung. Weil inmitten der turbulenten Beatlemania, laufend auf Tournee, in Fernseh-, Film- und Radio-Studios, auf Pressekonferenzen, bei Interviews und Foto-Shootings, nicht viel Zeit und Energie übrig war fürs Songschreiben und die Aufnahmen in den Abbey Road Studios.

Im selben Jahr, 1964, war mit A Hard Day’s Night schon das erste Meisterwerk der Beatles veröffentlicht worden, alle Songs von Lennon/McCartney komponiert und getextet, fabelhaft gespielt und gesungen, die A-Seite der LP noch dazu der Soundtrack ihres ersten hinreißenden Kinofilms gleichen Namens. Dass während der Aufnahmen von Beatles For Sale unbedingt eine neue Single, die nicht am Album sein durfte, für den boomenden Plattenmarkt produziert werden musste, machte es für die vierte LP der Band nicht leichter. Wären I Feel Fine (A-Seite), eines von John Lennons optimistischsten Liedern mit seinem charakteristischen, verzerrten Feedback-Gitarrenriff, das George Harrison den ganzen Song hindurch spielt, und She’s A Woman, ein fulminanter Rocksong, den Paul McCartney geschrieben und mit seiner Little-Richard-Rock & Roll-Stimme gesungen hat, mit auf Beatles For Sale gewesen, wäre die Platte wohl ein großer Knüller gewesen. Aber auch so ist Beatles For Sale eine tolle, mitreißende Platte geworden – obwohl den Fab Four auf dem ikonischen Coverfoto die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben steht. Spuren der rasenden Beatlemania.

Beatles For Sale ist das erste Album der Beatles in meinem jungen Leben gewesen. Es tauchte noch vor den beiden, 1973 veröffentlichten Beatles-Samplern The Beatles 1962-1966 und The Beatles 1967-1970 auf, dem legendären Roten und Blauen Album der Fab Four, die in den 1970ern meiner Generation die Beatles nahebrachten. Ein älterer Freund in der Nachbarschaft, Franz mit Namen, hatte mir Beatles For Sale auf einer Musikcassette aufgenommen, die ich auf meinem neuen SABA-Radio-Rekorder, damals ein Wunderwerk der Technik für mich, praktisch pausenlos spielte, bis sie irgendwann kaputt ging, da hatte ich aber schon das Rote und das Blaue Album als Vinyl-Doppel-LPs, die Beatles For Sale LP folgte bald. Eine Offenbarung für mich, die Licht und Hoffnung in meine Provinzjugend brachte und mein Leben, innerlich jedenfalls, entscheidend veränderte.

Die Aufnahmen für Beatles For Sale mussten im prallen Terminkalenderder Beatles zwischen die vielen anderen Verpflichtungen gezwickt werden. Diesem Termindruck und einem dringend nötigen, aber fehlenden kreativen Durchschnaufen ist geschuldet, dass sich auf Beatles For Sale nur acht neue Beatles-Originale finden, dazu sechs Coverversionen alter Rock’n’Roll- und Rhythm-&-Blues-Hadern, die schon zu Beginn ihrer Karriere im Liverpooler Cavern Club und in den Hamburger Reeperbahn-Clubs im Repertoire der Beatles waren. Chuck Berrys Rock And Roll Music und Dr. Feelgoods Mr. Moonlight – beide von John inbrünstig gesungen. Kansas City, im Arrangement von Little Richard, furios gerockt von Paul. Buddy Hollys Words Of Love, im Duett von John und Paul gesäuselt. Und zwei Kracher von Carl Perkins, Everybody’s Trying To Be My Baby, als cooler Country-Swing von George rübergebracht, dazu Honey Don’t, von Ringo im Country-Stil gerockt. Das war das letzte Mal, von den 1969er Get-Back-Sessions mal abgesehen, dass die Fab Four die Plattentruhe mit den Hits ihrer Jugend plünderten.

Seite eins der LP wird von einem umwerfenden Lennon-McCartney-Trio eröffnet. Auf Johns Liebesleid-Klage No Reply, folgt sein Selbstzweifler I’m A Loser, sein bis hierhin persönlichster Song, der schon den Einfluss von Bob Dylan spüren ließ. Im Jänner 1964 sollen die Beatles nämlich nichts anderes im Hotel gehört haben als Dylans zweites Album The Freewheelin‘ Bob Dylan, das Paul vor Ort von einem französischen Radioreporter bekommen hatte, und Dylans gleichnamiges Debütalbum, dass sie sogleich selbst in einem Pariser Plattenladen kauften. John und Pauls Duett Baby’s In Black wirkt ähnlich niedergeschlagen wie die ersten beiden Lieder, erst Rock And Roll Music hebt die Stimmung, ebenso Pauls wundervoll perlende Ballade I‘ll Follow The Sun, die buchstäblich die Sonne aufgehen lässt, bevor Mr. Moonlight und Kansas City am Ende nochmal losfetzen und die Wände  wackeln lassen.

Seite zwei  wird vom populärsten Song des Albums, dem Wohlfühl-Hit Eight Days A Week, eröffnet, den die Beatles angeblich nie so recht gemocht haben, vor allem John Lennon nicht. Paul McCartney allerdings spielte es immer wieder in seinen Konzerten bis ins neue Jahrtausend, solange noch Tourneen möglich waren und nach Corona auch wieder. Der Rest von Seite zwei ist in der Folge vielleicht nicht ganz so stark und prickelnd wie die erste Seite. Words Of Love singen John und Paul in einem hübschen Duett, erstaunlicherweise ist es der einzige Song von Buddy Holly, den sie für eine ihrer Platten coverten, obwohl Holly ein großer Einfluss für sie war. Honey Don’t ist Ringos großer Country-Moment. Pauls Every Little Thing und das musikalisch stärkere What You’re Doing, das mit seiner zwölfsaitigen Gitarre den Folkrock-Sound der Byrds vorwegnimmt (und beeinflusst hat) handeln von Pauls komplizierter Liebesbeziehung mit der englischen Schauspielerin Jane Asher, die nicht nur die Freundin eines berühmten Popmusikers sein wollte, sondern eben auch Schauspielerin. Auch am Country-Flair von I Don’t Want To Spoil The Party lässt sich erkennen, dass die Beatles Countrymusik wirklich mochten. Gesungen wird es von John und Paul, die es eigentlich für Ringo geschrieben hatten, Johns persönlicher Text lamentiert über sein Unvermögen, den Verlust einer Geliebten zu verschmerzen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Mit dem coolen Country-Swing Everybody’s Trying To My Baby setzt George den Schlusspunkt auf Beatles For Sale, das mir ein wertvoller Teil meiner Plattensammlung ist.

The Beatles Beatles For Sale, Odeon/EMI Records, 1964

© Beatles For Sale Pics by the author.

Record Collection N° 139: The The „Soul Mining” (Epic, 1983)

Vor rund vierzig Jahren erschien mit „Soul Mining“ eines der besten Pop-Alben der 1980er Jahre. Es war Matt Johnsons erstes Album unter dem Spitznamen The The und ist ein Selbstporträt des Künstlers als nachdenklicher junger Mann – gequält von emotionalen Schwankungen, Sehnsüchten, Weltschmerz und gerettet von der heilenden Kraft der Popmusik.

Wenn der Morgen graut, und die Nadel sich in die Plattenrille senkt und der Countdown beginnt: „Six, five, four, three, two, one … zero!“, knistert es und schon detoniert der erste Beat. „All my childhood dreams are bursting at the seams“, röchelt der Sänger, ein schmächtiger, blasser Bursche, der den schmerzvollen Blues vom Erwachsenwerden singt. Ein dreiundzwanzigjähriger Melancholiker, der auf der Suche nach seiner verlorenen Jugend und irgendeinem Sinn in seinem Leben ist: „I’ve been waiting for tomorrow / All of my life.“ Eine drückende Katerstimmung schiebt sich über das Morgengrauen. „You didn’t wake up this morning / Because you didn’t go to bed”, grübelt Matt Johnson mit tiefer, rauchiger Stimme in This Is The Day, dem zentralen Song von Soul Mining. „Du hast beobachtet / Wie das Weiße in deinen Augen rot wird”, sinniert er weiter und schmachtet eine verführerische Melodie wie aus einem Chanson.

Paris stand bei der britischen Popintelligenz in den frühen 1980ern hoch im Kurs, Songs wurden in Anlehnung an Romane von Camus geschrieben, Alben nannte man Café Bleu, postmoderne französische Philosophen wurden für den theoretischen Überbau zitiert. Die Musik schwankt zwischen düsteren, pessimistischen Post-Punk-Experimenten, Lärmexzessen und  strahlender, geiler Pop-Euphorie. Am Grad zwischen Depression und Glückseligkeit balancierend, produziert Matt Johnson, ein genialischer britischer Songschreiber, Lyriker, Multiinstrumentalist und Sänger, sein zweites Album Soul Mining. In der offiziellen Diskografie gilt sein Debütalbum Burning Blue Soul von 1981 heute als erste Platte von The The, es gibt seit 2004 auch eine Neuauflage mit eigenem Cover im punkig-expressiven Grafikstil der ersten The-The-Platten, erschienen ist es damals aber unter Matt Johnsons Namen, klarer Fall von Geschichtsklitterung.

Soul Mining ist und bleibt Matt Johnsons erstes Album unter dem Firmennamen The The, inzwischen ist die Ende der 1970er Jahre gegründete Band wieder ein Einmannbetrieb mit Gastmusikern. „Der Kalender an der Wand zählt die Tage runter“, brummt die Raucherstimme, während ein Akkordeon und eine Fiedel sich über harschen Computerbeats wiegen, und Matt hinabsteigt in das Kellergewölbe seiner Seele. Unterwegs verfängt er sich in Selbstmitleid und Selbstzweifel, versucht sich loszureißen und amüsiert sich königlich über seine Jammerei und über das Wehklagen von allen anderen.

Matt Johnson besingt auf Soul Mining nicht weniger als das Gewicht der Welt, das schmerzlich auf seinen jungen Schultern lastet. Die sieben Songs auf Soul Mining (auf einer CD-Edition ist noch die wunderbare Single Perfect angehängt, die den ersten Vinyl-LPs als 12-Inch-Vinyl beigelegt war) sind verdichtetes Leben und romantische Fiktion. Ein Pop-Album, das den Künstler als nachdenklichen jungen porträtiert Mann – gequält von  Gefühlsschwankungen und brennenden Begierden, bedrängt von seinem Weltschmerz,  gerettet von seinem schwarzen Humor und der heilenden Kraft der Popmusik. „My head is like a junk shop / in desperate need of repair”, heult der Sänger in The Sinking Feeling,  und folgert gewitzt: „Am besten gehe ich gleich wieder ins Bett.“ Matt Johnson verpackt seine emotionale Nabelschau nicht in fragilen Folkrock, tröge Rock-Balladen oder schaurige Industrial-Hämmer, er inszeniert sie lieber als modernen, kraftvoll melodiösen Electro-Pop, der einen voll berührt. „Something always goes wrong / when things are going right“, behauptet er im Titelsong. Das mag so sein. Aber auf Soul Mining läuft gar nichts falsch, doch war Matt Johnson je wieder so gut?

Soul Mining: Aufgenommen von Herbst 1982 bis Frühjahr 1983 in London und New York. Veröffentlicht: Oktober 1983. Charts-Platzierung: 27 (UK). Musiker: Matt Johnson (Synthesizer, Percussion, Gesang), Zeke Manyika (Schlagzeug), Camelle G. Hinds (Bass), Thomas Leer (Synthesizer), Jools Holland (Klavier) und andere. Produzenten: Matt Johnson & Paul Hardiman.

The The Soul Mining, Epic, 1983

Record Collection N° 334: Popincourt “We Were Bound To Meet” (Milano Records, LP, CD, 2023)

Three is a magic number, they say. So, it’s no wonder that  „We Were Bound To Meet“, Popincourt’s album number three, once again spreads Popincourt’s magical gold dust. It’s a wonderful record and I’m loving it.

What do wonderful songs like A New Dimension To Modern Love, The First Flower Of Spring, The Things That Last, Blue Winter, The Last Beams Of The Setting Sun, Spreading Golden Dust or This Must Be Heaven have in common? They all come from a small but all the more refined Parisian indie-pop manufactory, run by the French singer/songwriter and guitarist/multi-instrumentalist Olivier Popincourt, and perhaps located in Paris in a small side street in the 11th arrondissement of the same name.

Since 2014, the most British of all French indie-pop musicians has been devoting himself mainly to his music project, known as Popincourt for short, which is characterised by guitars and keyboards, British New Wave and Power Pop and Mod Beat, a dose of soul and jazz and also a little bit of classical music. The exquisite LPs A New Dimension To Modern Love and A Deep Sense Of Happiness are now followed by album number three We Were Bound To Meet (official release: September 15, 2023), which once again spreads Popincourt’s magical gold dust. A Deep Sense Of Happiness seemed to anticipate the dark pandemic years already in autumn 2020 with its heavy melancholy and dreary world-weariness. The mood was so bad that towards the end of the year Popincourt thought of not recording any more records at all.

On the other hand, three years later, We Were Bound To Meet feels lighter, brighter, airier. Even in the face of wars virtually on the doorstep, global crises, and love turmoil, which are negotiated in the songs. And this new lightness is good for Popincourt, and it may also have something to do with the fact that in six (out of ten) of the new songs, the songwriting burden is spread over several shoulders. To the famous Gabriela Giacoman, otherwise female singer with the French pop-moderniste band French Boutik and practically from the beginning of Popincourt an indispensable guest, and to the female singer and flutist Susanne Shields as well as the like-minded French singer/songwriter Olivier Rocabois.

We Were Bound To Meet, was recorded at l’Entresol Sound Studio in Courbevoie, which is located on the edge of the Paris metropolitan area, and two other studios, and directed by Olivier Bostvironnois. Olivier Popincourt is not only an ace on the acoustic and electric guitar, but he also plays bass and various organs (Wurlitzer, Vox continental, etc.). And he is also supported by excellent musicians such as Bostvironnois (piano and Fender Rhodes electric piano), drummer Guillaume Glain, Susanne Shields (lead and backing vocals, flute), Gabriela Giacoman (lead and backing vocals), Marilou Tee (backing vocals) and a classical string quartet.

Already  the first song Wire Crossed Lovers soars up to bright heights with a clear sparkling guitar run and a melody full of hope and one can also interpret its first lines Couldn’t wait to meet you/Two long springs and summers/Scared I’d lose my mind/Two lonely falls and summers as an expression of relief that the oppressive pandemic years are over, even if they tell about a love affair. The ravishing Our Winds, Our Strengths, Our Crimes delights in the chorus with a female voice that doubles Popincourt’s singing, and is a clear lament about a failed love, but one that doesn’t pull you down because it sums all up detachedly and serenely. The enchanting ballad The Road To Recovery, which moves close to British 1970s folk rock through Susanne Shields‘ vocals, follows on from the album opener with its upbeat lyricism, Feeling good on the road to recovery/I feel relieved, and floats towards freedom and a new beginning in life, carried by feelings of light-heartedness.

This high culminates in the wonderful title song with his life and love celebrating verve, We were bound to meet/A reason to believe/So clear and sweet/How could we be wrong?/I found the place where I belong – what an immediate Popincourt classic. The Little Rainfall, Intense Sunshine, which originated from the pen of Rocabois and Popincourt, shifts down the delight one or two gears, but it does it beautifully. Written and sung by Gabriela Giacoman, Love On The Barricades is the less pessimistic sister of the apocalyptic New Wave banger While The Ship Sinks on A Deep Sense Of Happiness and ends with a sense of elation, I kiss you on the barricades/We’re here right now so let’s enjoy tonight. The beautiful ballad My Secret Place moves with emotions that get under your skin and some charming lines sung in French – a novelty for Popincourt. Even in the brisk power pop Late To The Party,  lightness and confidence are palpable, I could see the future/It looks promising much brighter. And The Worst Of Lullabies is perhaps the darkest song on the album, but musically brilliantly staged with a classical string quartet. With the heart-rending ballad Song For Yeu, the  circle of sung love confusion closes, I wish I could stay for a few days/On the cliffs getting lost in our gaze/Times have changed but that light will always shine/And bring new sounds in my mind.

Can a record whose songs are primarily about bad and broken relationships send out the optimistic message All you need is love? We Were Bound to Meet does it.

Popincourt: We Were Bound To Meet, Milano Records, 2023

© Cover Pics snapped by the author.

Record Collection N° 334: Popincourt “We Were Bound To Meet” (Milano Records, LP, CD, 2023)

Drei sei eine magische Zahl, heißt es. Kein Wunder, dass “We Were Bound To Meet”, Album Nummer drei, erneut den magischen Popincourt-Goldstaub versprüht.

Was haben so wundervolle Songs wie A New Dimension To Modern Love, The First Flower  Of Spring, The Things That Last, Blue Winter, The Last Beams Of The Setting Sun, Spreading Golden Dust oder This Must Be Heaven gemeinsam? Sie entstammen alle einer kleinen, aber umso feineren Pariser Indie-Pop-Manufaktur, betrieben vom französischen Singer/Songwriter und Gitarristen/Multiinstrumentalisten Olivier Popincourt, und vielleicht in einer Seitengasse im gleichnamigen 11. Arrondissement situiert.

Seit 2014 widmet sich der britischste aller französischen Indie-Pop-Musiker hauptsächlich seinem kurz Popincourt genannten, von Gitarren- und Keyboards, britischem New Wave und Power Pop und Mod Beat, einer Dosis Jazz und auch ein wenig Klassik geprägten Musikprojekt. Auf die exquisiten Langspielplatten A New Dimension To Modern Love (2016) und A Deep Sense Of Happiness folgt nun Album Nummer drei  We Were Bound To Meet (offizielle Veröffentlichung: 15. September 2023), das erneut den magischen Popincourt-Goldstaub versprüht. A Deep Sense Of Happiness schien im Herbst 2020 mit seiner schweren Melancholie und tristem Weltschmerz die dunklen Pandemie-Jahre schon vorwegzunehmen. Die Stimmungslage war so mies, dass Popincourt gegen Ende des Jahres daran dachte, überhaupt keine Platten mehr aufzunehmen.

Dagegen fühlt sich We Were Bound To Meet drei Jahre später leichter, lichter, luftiger an. Auch angesichts von Kriegen quasi vor der Haustür, globalen Krisen und Liebeswirren, die in den Songs verhandelt werden. Und diese neue Leichtigkeit tut Popincourt gut, und sie hat vielleicht auch damit zu tun, dass in sechs (von zehn) der neuen Songs die Songwriting-Last auf mehrere Schultern verteilt ist. Auf die famose Gabriela Giacoman, sonst Sängerin bei der französischen Pop-Moderniste-Band French Boutik und praktisch von Anfang bei Popincourt als nicht wegzudenkende Gästin mit dabei, und auf die Sängerin und Flötistin Susanne Shields sowie den gleichgesinnten französischen Singer/Songwriter Olivier Rocabois.

Aufgenommen wurde We Were Bound To Meet unter der Regie von Olivier Bostvironnois im l’Entresol Sound Studio in Courbevoie, das am Rande des Pariser Ballungsraums liegt, und zwei weiteren Studios. Olivier ist nicht nur an der akustischen und elektrischen Gitarre ein As, er spielt auch noch Bass und verschiedene Orgeln (Wurlitzer, Vox continental, etc.). Zudem unterstützen ihn exzellente Musikerinnen und Musiker wie Bostvironnois (Klavier und Fender Rhodes E-Piano), Schlagzeuger Guillaume Glain, Susanne Shields (Lead und Backing Vocals, Flöte), Gabriela Giacoman (Lead und Backing Vocals), Marilou Tee (Backing Vocals) sowie ein klassisches Streichquartett.

Schon der erste Song Wire Crossed Lovers schwingt sich mit einem klaren perlenden Gitarrenlauf und einer hoffnungsfrohen Melodie in lichte Höhen und man darf seine ersten Zeilen Couldn’t wait to meet you/Two long springs and summers/Scared I’d lose my mind/Two lonely falls and summers auch als Ausdruck der Erleichterung deuten, das die beklemmenden Pandemiejahre vorüber sind, auch wenn sie von einer Liebesbeziehung künden. Das hinreißende Our Winds, Our Strengths, Our Crimes entzückt im Refrain mit einer Frauenstimme, die Popincourts Gesang doppelt, und ist ein eindeutiges Lamento über eine gescheiterte Liebe, aber eines, das einen nicht runterzieht, weil es abgeklärt Resümee zieht. Die zauberhafte Ballade The Road To Recovery, die durch Susanne Shields‘ Gesang in die Nähe von britischem 1970er Jahre Folkrock rückt, schließt mit ihrer hoffungsvollen Lyrik an den Albumauftakt an, Feeling good on the road to recovery/I feel relieved, und schwebt getragen von Gefühlen der Unbeschwertheit Richtung Freiheit und einem neuen Anfang im Leben.

Dieses Hoch gipfelt im wunderbaren Titelsong mit seinem Leben und Liebe feiernden Elan, We were bound to meet/A reason to believe/So clear and sweet/How could we be wrong?/I found the place where I belong, was für ein Popincourt-Klassiker. Das der Feder von Rocabois und Popincourt entsprungene Little Rainfall, Intense Sunshine schaltet beim Hochgefühl ein, zwei Gänge runter, aber schön. Das von Gabriela Giacoman geschriebene und gesungene Love On The Barricades ist die weniger pessimistische Schwester des apokalyptischen New Wave-Krachers While The Ship Sinks auf A Deep Sense Of Happiness und endet mit einem Hochgefühl, I kiss you on the barricades/We‘re here right now so let’s enjoy tonight, mitreißend wie nur was. Die schöne Ballade My Secret Place bewegt mit Emotionen, die unter die Haut gehen und einigen quasi dahinschmelzenden, auf Französisch gesungenen Zeilen – eine Novität für Popincourt. Auch im forschen Gitarrenbeat Late To The Party sind Leichtigkeit und  Zuversicht spürbar, I could see the future/It looks promising much brighter. The Worst Of Lullabies ist der vielleicht düsterste Song des Album, aber musikalisch brillant mit Streichquartett in Szene gesetzt. Mit der herzergreifenden Ballade Song For Yeu schließt sich der Kreis der besungenen Liebeswirren, I wish I could stay for a few days/On the cliffs getting lost in our gaze/Times have changed but that light will always shine/And bring new sounds in my mind.

Kann eine Platte, deren Lieder vornehmlich von schlecht gelaufenen und kaputt gegangenen Beziehungen handeln, die optimistische Botschaft All you need is love aussenden? We Were Bound to Meet kann.

Popincourt: We Were Bound To Meet, Milano Records, 2023

© Cover Pics snapped by the author.

B-logbook: 30.07.2023: Popincourt – “We Were Bound To Meet”. Vinyl LP, Test Pressing, 2023.

Now playing: Popincourt „We Were Bound To Meet“, vinyl LP, test pressing. Official album release September 15, 2023. What a Sunday morning pleasure!

B-logbook: 29.07.2023: Popincourt – “We Were Bound To Meet”. Album, LP/CD, 2023.

This was brought by the postman, a special parcel from Paris, mailed by Olivier Popincourt. Popincourt‘s third album We Were Bound To Meet. LP, CD, and a vinyl LP test pressing as a special present! We Were Bound To Meet will be officially released midst September. But it will be already my soundtrack of this weekend. What a superb new addition to my record collection. Merci, Olivier.

Live On Stage: Die Rock & Soul-Magie von Bruce Springsteen!

Im zarten Alter von 73 ist der unermüdliche Bruce Springsteen einmal mehr auf Welttournee mit seiner legendären E Street Band, aktuell steht Europa am Plan.  Am kommenden Sonntag geht es nach München, ins Olympiastadion. Ich werde dabei sein, die Vorfreude ist riesengroß. Bruuuuuuce!

Auf seiner aktuellen Weit-Tournee 2023, die im Februar in den USA in Tampa startete und im Dezember in San Francisco enden wird, ist Bruce Springsteen mit seiner legendären E Street Band  schon seit Ende April quer durch Europa unterwegs. Die bisherigen Stationen: Barcelona, Dublin, Paris, Ferrara, Rom, Amsterdam, Edinburgh, Landgraaf, Zürich, Birmingham, Werchter, Düsseldorf, Göteborg, Oslo, London, Kopenhagen, Hamburg, Wien, Hockenheim. Allerorts ein begeistertes, voll mitgerissenes Publikum und geradezu hymnische Kritiken begleiten den Boss und die E Street Band. Bruuuuuuce!

Kommenden Sonntag geht es nach München, ins ausverkaufte Olympia-Stadion. Mein Ticket habe ich von den wunderbaren Frauen in meinem Leben, meinen beiden Töchtern und meiner Frau, zum Geburtstag geschenkt bekommen. Begleiten wird mich die jüngere meiner Töchter, um sich erstmals die volle emotionale Bruce-Springsteen-Experience zu geben, eine Seelenmesse. Die Vorfreude ist riesengroß. Der auch schon unglaubliche 73 Jahre junge Springsteen selbst scheint auf der laufenden Tour die Zeit seines Lebens zu haben und alles zu genießen wie nur was. Unglaublich lässig und locker ist er in den Tour-Städten unterwegs, direkt in Kontakt mit den Fans, lässt sich entspannt zu Selfies bitten und zapft auch schon mal ein Pint Guinness in einem Pub für seine Fans.  

Eigentlich hätte die Welt-Tournee 2023 ja schon 2021 losgehen sollen, gleich in der Folge des 2020 veröffentlichten Albums Letter To You, dann 2022, da hatte aber die Corona Pandemie etwas dagegen. Jetzt ist es endlich so weit, und alles wieder gut. Also fast, schließen handeln viele Songs auf Letter To You, das Springsteen mit der versammelten E Street live im Studio einspielte, von Vergänglichkeit und Sterblichkeit. Auch die laufenden Konzerte sind mit Erinnerungen an schon verstorbene Weggefährten des Boss durchdrungen, die E Street-Legenden Clarence Clemons (Saxophon; ersetzt von seinem grandios aufspielenden Neffen Jake Clemons) und Danny Federici (Keyboards; ersetzt durch Charles Giordano), sowie die Musiker seiner frühen Band The Castilles, von denen nur mehr Bruce am Leben ist, Last Man Standing quasi. Und auch die noch aktiven E Street-Veteranen sind wie der Boss selbst auch keine Jünglinge mehr: Keyboarder Roy „Professor“ Bittan, 74, Bassist Gary Tallent, bald 74, Schlagzeuger Max „Mighty“ Weinberg, 72, Gitarrist Nils Lofgren, 72, Sängerin und Gitarristin Patti Scialfa, 70, und Stevie Van Zandt, Bruce‘ musikalischer brother from another mother, 72 jetzt. Doch die laufenden Konzerte sind alles andere als eine triste Totentanz-Party oder Rüstige-Rentner-Show, sondern eine das Leben und die lebensrettende, heilende Magie der Musik feiernde Rock & Soul-Party, die vom Boss und der E Street Band mit größter Spielfreude, höchstmöglicher Energie und Leidenschaft gefeiert wird.

Die Setlist variiert in Europa mehr als noch am Beginn der Tournee in den USA. Knapp 50 Songs haben Springsteen und die E Street  bisher gespielt, und auch die Spielzeit ist in Europa noch länger geworden und ist mittlerweile bei fast drei mitreißenden, überschwänglichen Stunden angelangt. Zum Auftakt gibt es meist No Surrender, ebenso programmatisch zu deuten wie die öfter gewählte Alternative My Love Will Not Let You Down. Aber auch The Ties That Bind oder Night gab es schon als Konzert-Opener. Zu hören auch jedes Mal alle Schlüsselsongs von Letter To You: Ghosts, Last Man Standing, I’ll See You In My Dreams (das jedes Konzert beschließt) und der Titelsong. Vom Soul-Cover-Album Only The Strong Survive ist nur die Gänsehautballade Nightshift im Programm, auch sie eine Hommage an zwei längst verstorbene Soul-Helden – Jackie Wilson und Marvin Gaye.

Dazu rocken in der Regel jede Menge Springsteen-Klassiker wie Prove It All Night, The Promised Land, Darkness On The Edge of Town, Candy’s Room, Because The Night, Out In The Street, The River, She’s The One, The Rising oder Backstreets durch die Stadien, vermischt mit frühen Krachern wie The E Street Shuffle, Kitty’s Back oder Rosalitha (Come Out Tonight). Auch Death To My Hometown, Trapped, I’m On Fire, My Hometown, Downbound Train, Darlington County, Working On The Highway, Bobby Jean oder Jungleland  können jederzeit auftauchen.

Der Zugaben-Block sowieso gigantisch: Thunder Road, Tenth Avenue Freeze-Out, Born In The USA, Glory Days, Dancing In The Dark und naturalmente das ewig welterschütternde Born to Run. Jahrtausendsong. Hallelujah, auf nach München! Sonntagsmesse.

 

B-logbook: 19.07.2023: French Boutik – “Ce Je Ne Sais Quoi”. Album, LP/CD, 2023

Just delivered by the post woman: French Boutik‘s superb third album Ce Je Ne Sais Quoi, LP & CD. UK-Edition with 14 tracks, 10 originals, 4 covers, also quite unique. The next fine addition to my record collection. Merci, Gabriela for posting it from Paris and all of French Boutik for signing the cool LP cover by Serge Hoffman.

Popincourt Runs Crowdfunding For Next Album “We Were Bound To Meet”

French pop music wiz Olivier Popincourt runs a crowdfunding for his coming new album We Were Bound To Meet at crowdfunding platform Ulule. There are still 25 days left to join in as I am doing today. Following Popincourt’s wonderful albums A New Dimension To Modern Love (2016) and A Deep Sense Of Happiness (2020) his third album We Were Bound To Meet will be released September 15th, 2023.

Some facts about We Were Bound To Meet: 10 new songs composed by Popincourt. Lyrics by Popincourt and/ or Gabriela Giacoman, Susanne Shields, Olivier Rocabois.

Musicians: Popincourt: lead and backing vocals, acoustic and electric guitars, bass, Wurlitzer, Vox continental, Philicorda and Crumar organs / Olivier Bostvironnois: grand piano and Fender Rhodes / Guillaume Glain: drums and percussions / Gabriela Giacoman: lead vocals on “Love on the barricades” and backing vocals / Susanne Shields: lead vocals on “The road to recovery”, backing vocals and flute / Marilou Tee: backing vocals / Olivier Rocabois: backing vocals / Florence Hennequin: cellon / Claudine Christophe: viola / Angélique Cacciaguerra and Boris Cacciaguerra: violins / String arrangements by Sébastien Souchois.

Recorded at Studio L’entresol by Olivier Bostvironnois, Studio de Meudon by Julien Bassères and Innit’ Studio by Popincourt.

Mixed by Olivier Bostvironnois  / Mastered by Olivier Bostvironois & François Terrazoni (Studio Parelies).

Artwork by Serge Hoffman – Photo by Gérald Chabaud.

Label: Milano Records

As I did beat the drum already quite often for Popincourt, here’s what some others say about the brilliant man and his music:

“After several years of collaborations, Paris based Popincourt has decided to make his own singular musical mark … A Pop Rock cocktail, fresh and original, influenced by Paul Weller, Ray Davies, Elvis Costello, and Joe Jackson. Despite these inspirations, Popincourt sounds modern and not retro. The songs are beautifully arranged and the pro musicians play brilliantly.” (Auguste Marshal)

“Recording an album that fits in nicely amongst releases by the Lotus Eaters, The Free Design, or Roger Nichols and the Small Circle of Friends is not within the reach of everyone. But with its 5 star chord progressions, finely woven guitar arpeggios and sweeping arrangements, Olivier Popincourt delivers a beautiful new album, accompanied by an expert team, on a label committed to good taste. The first video for „The Grass of Winter Morning“ is set in a lovely but abandoned house. Popincourt is the proof that, despite growing standardisation and pre-fab Auto-Tune music, it’s possible to build something of real quality.” (Bertrand Burgalat)

“This album is packed with refined pop that stands out for both the elegance of its production and the quality of its melodies. There are multiple influences, including 60s pop à la Burt Bacharach, Northern Soul (high priest Paul Weller), blue-eyed English pop and even jazz, all delivered with that special Popincourt feel for a beautiful result.” (Indie Love Songs)

B-logbook: 11.05.2023: Popincourt Announces New Album

The fab French pop music genius Olivier Popincourt announced the coming of his third Popincourt album We Were Bound To Meet by revealing its cool cover, artwork by the great Serge Hoffman (of French Boutik fame), cover photo by Gerald Chabaud. As the brilliant man from Paris created not only two of my favourite albums in this millennium but for ever and a day, you can tell I’m really looking forward to his third solo record, and honestly, I’m really eager for the ten new songs on We Were Bound To Meet.

The more as Olivier, when we talked in 2020 around the release of A Deep Sense Of Happiness (our splendid interview didn’t materialize to date in a big feature I had planned, for reasons I won’t mention here) told me, that maybe he won’t record another album, because it’s too costly for what seems for him more and more like an expensive hobby. He also seemed quite frustrated that all live events and concerts powering the release of the album had been destroyed by the vicious pandemic.

But now Popincourt is back with the greatly titled album number three, and if there will some sort of crowdfunding to finance its production, I surely will join in.