„A Hard Day’s Night“, das dritte Album der Beatles, veröffentlicht am 10. July 1964, ist zur Hälfte der Soundtrack ihres famosen ersten gleichnamigen Kinofilms in Schwarzweiß, die Songs erklingen in leuchtendem Bunt. In der zweiten Hälfte gibt es weitere famose selbstgeschriebene Songs der Fab Four aus Liverpool. Man kann getrost sagen, dass A Hard Day’s Night das erste Meisterwerk der Beatles in Albumlänge ist.
John, Paul, George & Ringo waren gerade von ihrer Heimatstadt Liverpool nach London, der Popmetropole der Swinging Sixties, umgezogen. A Hard Day’s Night war ihr dritter Longplayer innerhalb von 18 Monaten. Und das erste Album der noch immer blutjungen Musiker, das allein mit Eigenkompositionen bestückt ist. Zudem der einzige Longplayer der Beatles, auf dem sich ausschließlich Kompositionen des Songschreiberteams Lennon/McCartney befinden.
Die A-Seite der originalen Vinyl-LP ist der Soundtrack des grandiosen, superwitzigen, supersympathischen gleichnamigen Kinofilms. In der rasanten Handlung mit halbfiktiven Alltagsszenen aus der Turbokarriere der Beatles spielen ihre Songs natürlich keine Neben- sondern die Hauptrolle. Beatlemania in Bild und Ton. In Spielfilmlänge und überschäumender Laune. Mit vier gutaussehenden, ungemein coolen, charismatischen Hauptdarstellern, superwitzigen Schnellfeuerdialogen. Mit der berühmtesten Band der Welt. Der allerbesten Band sowieso. Und dem obercoolen Beatle, Ringo Starr.
Vom gewaltigen Eröffnungsakkord des Titelstücks an gibt es praktisch nur Hits zu hören, und solche, die Hits hätten werden können. Zuerst die glorreichen Sieben aus dem Film: A Hard Day’s Night, John Lennons ungestümer Titel-Rocker, der den zunehmenden Karrierestress der Beatles widerspiegelt und zugleich eine Art Arbeiterklasseblues ist – während Lennons markige Stimme durch Refrain und Strophen führt, übernimmt Paul McCartney die Bridge, die er mit seiner heiser aufgerauten Rock’n’Roll-Stimme singt, ein elektrisierender Effekt. Ringo Starr rockt heißer als jeder Brandstifter, George Harrison spielt das markante Fade Out auf seiner neuen 12-saitigen Rickenbacker-Gitarre. Diese prägte den Sound des ganzen Albums und sollte in den USA bald The Byrds wachrütteln. I Should Have Known Better startet mit einer von Bob Dylan abgekupferten Mundharmonika, danach legt John Lennon ungewohnt aufgekratzt und glückselig los, während Harrisons 12-Saiten-Rickenbacker ihm den Weg weist. Unvergessen wie die Fab Four im Film während einer Bahnfahrt zu diesem Song Karten spielen, eingesperrt im Postwagon, wo sie zu den Instrumenten greifen.
Die wunderschöne Ballade If I Fell singen John und Paul im Duett. Songautor John Lennon zeigt, dass er nicht nur rocken, sondern es auch mal romantisch kann, wenngleich die besungenen Liebesverwirrungen die für ihn typische wehmütig-bittere Note haben. Für I’m Happy Just To Dance With You darf mal George Harrison ans Mikro, der voll auf Mr. Superlässig macht und glatt damit durchkommt. Worauf Paul McCartney sich mit And I Love Her, einer wunderschönen Liebesballade in einem zauberhaften Arrangement aus Akustikgitarren und Bongos, als allerfeinster Popromantiker erweist. Tell Me Why dagegen ist simple, mitreißende uptempo Beatmusik über eine unglückliche Liebe, die John Lennon flehend besingt, während McCartney und Harrison ihn mit glasklarem Harmoniegesang stützen.
Paul McCartneys raue Rock’n’Roll-Stimme Marke Little Richard kommt in Can’t Buy Me Love zum Tragen, einem prickelnden Song, der ausnahmsweise außerhalb der Abbey Road Studios in Paris aufgenommen und schon vor dem fertigen Album veröffentlicht wurde. Prompt ein weiterer Nummer-1-Hit, und die erste Single der Band, die nur einen einzigen Sänger in den Vordergrund stellt. Die sieben weiteren Songs auf der B-Seite der Originalplatte halten die exzellente Qualität von Seite A. Allen voran McCartneys herrlich melodiöses, nachdenkliches Things We Said Today. Lennons rauer Rocker When I Get Home, der das häusliche Glück idealisiert, und sein packendes Liebeswerben in You Can’t Do That.
Die 13 Songs auf A Hard Day’s Night sind ein großer Entwicklungssprung für die Beatles. Sie sind als Songschreiber gereift, was die Songtexte, komplizierten Akkordfolgen, die gesteigerte Raffinesse der Melodien anlangt, aber auch als Arrangeure, Musiker und Studiokünstler. Das wird auch am volleren, aufwändigeren Sound deutlich. Dieser ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass man nicht mehr bloß auf zwei Tonspuren aufnahm, sondern Produzent George Martin jetzt Vier-Spur-Rekorder einsetzte. George Harrisons klingelnde, 12-saitige Rickenbacker, John Lennons stramme Rhythmusakkorde, Paul McCartneys melodiös-druckvolle Bassläufe, Ringo Starrs minimalistische, energiegeladene Beats, die bestechend brillanten Gesangsharmonien – sie sind so klar und deutlich wie noch nie zu hören auf den aktuellen 2009er Beatles Remasters. Egal, ob in Mono oder in Stereo.
Dass John Lennon und Paul McCartney jetzt häufiger getrennt Songs schrieben, ist auf A Hard Day’s Night deutlich zu bemerken. Zugleich hielten die beiden aber an ihrer professionellen Songschreiberpartnerschaft zugunsten des größeren Ganzen fest und halfen sich gerne immer wieder gegenseitig aus. Die Klischeebilder von Lennon, dem Rebell, Revolutionär, Neuerer, und McCartney, dem Softie, Kitschkomponisten, Karrieristen sind aber nicht mehr als Mythen in Tüten. Auf A Hard Day’s Night zeigt sich John Lennon besonders kreativ und ist bei der überwiegenden Zahl der Songs federführend. Doch Paul McCartneys wenige Beiträge können voll mit Lennons Songs mithalten. Das Resultat ihrer kreativen Chemie trieb die Beatles zum ersten Höhepunkt auf dem Weg zur Popband von epochalen Dimensionen.
Ende Juli 1964 katapultierte sich A Hard Day’s Night auf den ersten Platz der britischen Charts und thronte dort ganze 21 Wochen lang. Und das voll verdient, weil es das erste Meisterwerk der Beatles im Albumformat war.
The Beatles A Hard Day’s Night, Parlophone/EMI, 1964/2009