Ist Lo-Fi das neue Hi-Fi?

mayer_hawthorne_cover_soul_with_a_hole_vol1Hat Lo-Fi Soul? So gerne ich meine liebsten Alben auch auf Vinyl höre, so sehr ich das Hören von Vinylplatten zelebriere und genieße – ein besonderer Klangsnob war ich nie und schon gar kein High-End-Fanatiker. Derart hoch entwickelte Klangdimensionen blieben allein schon pekuniär meist außer Reichweite. Und ich habe mein – wohl auch so des Öfteren überstrapaziertes – Musikbudget eigentlich immer lieber in neue Platten und neue CDs investiert denn in sündteure Anlagen, von der leichtfertigen Akquisition eines Laufwerks von Linn vor vielen Jahren einmal abgesehen. Doch ich schaue mir auf Facebook gern die Bilder von antiken Stereoanlagen und Plattenspielern an, wie sie einschlägige Fachgruppen wie „Audio Classics“, „Som Vintage“ oder die „Analogue Audio Association Austria“ posten. Sind ja auch wirklich schön die Dinger. Und tönen sicher auch famos. Andererseits bin ich mit Berry Gordy, dem legendären Boss der besonders in den 1960ern und 1970ern fantastisch erfolgreichen Detroiter Soulfabrik Motown Records, einer Meinung, dass ein guter Song – gut arrangiert, gut gespielt, gut gesungen, im Studio mit den Mikros entsprechend aufgenommen – auch noch auf dem billigsten tragbaren Plastikradio okay klingt und seine Wirkung hat. Genauso aus Laptoplautsprechern mit absoluter Lo-Fi-Qualität oder stinknormalen Kopfhörern am iPod. Letztlich funktioniert meine Liaison mit der Musik über Platten, über Alben, über Songs.

mayer_hawthorne_soul_with_a_hole_posterSo richtig bewusst gemacht hat mir das dieser Tage wieder Soulmann Mayer Hawthorne mit seinem superben einstündigen Mix „Soul With A Hole Vol.1“, den man via Soundcloud downloaden kann. Mit mageren 160 kBit/s MP3 Datenrate übrigens – wo mir sonst die 256 kBit/s der Kaufdownloads bei iTunes als mickrig erscheinen und ich eigene CDs inzwischen nur noch mit 320 kBit/s für den iPod umwandle, weil ich glaube, dass so alles besser klingt. Aber nicht nur das. Hawthorne hat die 24 köstlichen Sixties Soul Raritäten von „Soul With A Hole“ ausschließlich mit den alten 45er Vinylsingles zusammengemixt, also mitsamt dem Knistern, Knacksen und Grammeln, wie man es eben von abgespielten Vinylplatten gewöhnt ist. Und siehe da. Nichts höre ich zurzeit öfter und lieber als Mayer Hawthornes knisternden, definitiven Lo-Fi-Sound. Egal, ob am Laptop, mit iPod-Kopfhörern oder via iPod-Dock auf der Leider-nein-High-End-Anlage im Wohnzimmer. Für mich geht die Seele der Musik auch in diesem Lo-Fi-Mix nicht verloren. Was dazu wohl Neil Young sagen würde, der gegen den nicht nur von ihm so empfundenen Verlust der Essenz der Musik in MP3s ein neues digitales High-Resolution-Klangsystem namens „Pono“ entwickeln lässt? Ein Downloadservice mit High-End-Qualität, das viel besser sein soll als die MP3-Qualität bei iTunes & Konkurrenten und die Musik digital endlich so wiedergeben soll wie sie im Studio bei den Aufnahmen original geklungen hat. Young will der Musik so ihre Seele zurückgeben. Aber ob Musik Seele hat oder keine, ist nicht nur eine Frage der Soundqualität. Mayer Hawthornes neuer Old School Soulmix und nicht zuletzt auch viele Platten von Neil Young sind ein trefflicher Beweis dafür. Aber was rede ich hier, für die ganz Jungen, die ihre Musik am häufigsten auf Mobil- und Smartphones hören, ist ein iPod vielleicht schon wieder so altmodisch wie eine Hi-Fi-Stereoanlage. Vintage Audio quasi.