Record Collection N° 176: Kris Kristofferson “Closer To The Bone” (New West Records, 2009)

KRIS_KRISTOFFERSON_COVER_Closer_To_The_BoneIn diesem würdigen Alterswerk setzte Kris Kristofferson konsequent seinen Weg fort und schürfte in den Songs nach der Essenz seines Lebens. Es gehört in eine Liga mit seinen besten Alben in den frühen 1970s.

Kris Kristofferson setzte auf Closer To The Bone konsequent den mit This Old Road (2006) beschrittenen Weg fort. Es glückte ihm damit ein Album, das in eine Liga mit seinen besten Alben in den frühen 1970ern gehört. Produzent Don Was, der zugleich auch Bass spielte, fungierte wieder in der Rolle, die Rick Rubin für Kristoffersons schon verstorbenen Freund und Mentor Johnny Cash spielte. Begleitet wird der 73-jährige Sänger und Songschreiber neben Don Was von Könnern wie Gitarrist Stephen Bruton, der kurz nach Fertigstellung des Albums verstarb, Schlagzeugveteran Jim Keltner und Keyboarder Rami Jaffee. Der warmherzige Sound des Quintetts ist weniger spröde als noch vor drei Jahren und steht Kristoffersons Balladen ausgezeichnet, in denen er einmal mehr nach der Essenz seines Lebens schürfte.

Der Titelsong strahlt gleich zu Beginn nur so vor berührender Lebensweisheit. From Here To Forever ist ein wundervolles Liebeslied für Kristoffersons Kinder. Holy Woman, der schmachtende Country-Walzer Starlight And Stone und Tell Me One More Time sind glühende Love Songs an die Frau(en) in seinem Leben. Sister Sinead ist der irischen Sängerin Sinead O’Connor gewidmet, die Kristofferson einst 1992 tröstend umarmte bei einem Jubiläumskonzert für Bob Dylan im New Yorker Madison Square Garden, als sie vom Publikum ausgebuht wurde. Good Morning John gehört keinem Geringeren als Johnny Cash. Und als Draufgabe gibt es zum Schluss noch Kris Kristoffersons allerersten Song I Hate Your Ugly Face, den er schon als Elfjähriger geschrieben haben soll. Ein passender Kontrapunkt zu diesem würdigen Alterswerk.

Kris Kristofferson Closer To The Bone, New West, 2009

(Erstveröffentlicht in now! N° 81, Oktober 2009, komplett überarbeitet im Februar 2021)

© Closer To The Bone Pics shot by Klaus Winninger

B-Logbook: 04.06.2016: Cassius Clay. Muhammad Ali. 1942-2016. The Greatest!

cassius-clay-cover-the-greatestCassius Clay. Muhammad Ali. The Greatest. Yes, he was. The Greatest. What a man! Ich werde nie vergessen, wie mein Vater jedes Mal auf Zehenspitzen in mein Zimmer schlich, wohl um meine besorgte Mutter nicht zu alarmieren, und mich aufweckte, damit wir zwei mitten in der Nacht auf unserem kleinen Schwarzweißfernseher im Wohnzimmer Cassius Clays unglaublich mitreißende Boxkämpfe sehen konnten.

Cassius Clay hieß damals, Anfang der 1970er-Jahre, nach seiner Wehrdienstverweigerung und seinem  Übertritt zum Islam aus Protest gegen den Vietnam Krieg und wegen seiner Aktivitäten als Kämpfer für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner in den USA ja schon Muhammad Ali. Er war Mitglied der radikal militanten Nation of Islam geworden und befand sich nicht nur mit seinen Gegnern im Boxring, sondern auch mit der US-amerikanischen Regierung  im Dauerkonflikt. Immer für einen unerwarteten Schwinger und einen cleveren, starken, revolutionären Spruch gut.

Der „Fight of the Century” gegen seinen größten Kontrahenten Joe Frazier im März 1971 im New Yorker Madison Garden, den Muhammad Ali noch knapp verloren hat. Der Revanche-Kampf gegen Joe Frazier, „The Thrilla in Manila“, im Oktober 1975 auf den Philippinen, den Ali gewinnen konnte. Ein kaum noch zu packender, höchst intensiver Herzinfarkt-Fight. Dazwischen am 30. Oktober 1974 der K.O.-Sieg im „Rumble in The Jungle“ gegen George Foreman in Kinshasa, der Hauptstadt von Zaire, das heute unter Demokratische Republik Kongo firmiert. Alle diese Kämpfe live gesehen. Alle aufregend und spannend wie nur was. Alle unvergessen bis heute. Dass ich danach in der Schule jedes Mal weggeschlafen bin, erregte zwar das Missfallen meiner besorgten Mutter und meiner missmutigen Lehrer, die wahrscheinlich auch geguckt hatten, so müde, wie die im Unterricht aus der Wäsche schauten.

Aber hey, egal! Ich hatte den größten Boxer aller Zeiten wieder elegant durch den Ring tänzeln und fighten gesehen. Gegen Joe Frazier, gegen George Foreman. Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene. Rumble in the Jungle. Danke Papa, danke Muhammad Ali. Für diese unvergesslichen Stunden vor unserem ersten, anno 1969 für die Übertragung der Mondlandung angeschafften Fernseher. R.I.P. – ihr beiden.