Record Collection N° 60: The Beatles “Beatles For Sale” (Odeon/EMI Records, 1964)

Das vierte Album der Beatles, „Beatles For Sale“ ist nicht ihr bestes, aber eine großartige und mitreißende Platte. Und die erste, die in meinem jungen Leben auftauchte, Licht und Hoffnung in meine Provinzwelt brachte und mein jugendliches Selbst veränderte.

Der amtlichen Beatles-Geschichtsschreibung gilt Beatles For Sale, das vierte Album der Fab Four, als einer der schwächeren Beatles-Longplayer. Dieses Urteil ist, mit Verlaub, falsch. Natürlich hat Beatles For Sale im extragrandiosen Kanon der Beatles-Alben keinen leichten Stand, aber auch keine leichte Entstehung. Weil inmitten der turbulenten Beatlemania, laufend auf Tournee, in Fernseh-, Film- und Radio-Studios, auf Pressekonferenzen, bei Interviews und Foto-Shootings, nicht viel Zeit und Energie übrig war fürs Songschreiben und die Aufnahmen in den Abbey Road Studios.

Im selben Jahr, 1964, war mit A Hard Day’s Night schon das erste Meisterwerk der Beatles veröffentlicht worden, alle Songs von Lennon/McCartney komponiert und getextet, fabelhaft gespielt und gesungen, die A-Seite der LP noch dazu der Soundtrack ihres ersten hinreißenden Kinofilms gleichen Namens. Dass während der Aufnahmen von Beatles For Sale unbedingt eine neue Single, die nicht am Album sein durfte, für den boomenden Plattenmarkt produziert werden musste, machte es für die vierte LP der Band nicht leichter. Wären I Feel Fine (A-Seite), eines von John Lennons optimistischsten Liedern mit seinem charakteristischen, verzerrten Feedback-Gitarrenriff, das George Harrison den ganzen Song hindurch spielt, und She’s A Woman, ein fulminanter Rocksong, den Paul McCartney geschrieben und mit seiner Little-Richard-Rock & Roll-Stimme gesungen hat, mit auf Beatles For Sale gewesen, wäre die Platte wohl ein großer Knüller gewesen. Aber auch so ist Beatles For Sale eine tolle, mitreißende Platte geworden – obwohl den Fab Four auf dem ikonischen Coverfoto die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben steht. Spuren der rasenden Beatlemania.

Beatles For Sale ist das erste Album der Beatles in meinem jungen Leben gewesen. Es tauchte noch vor den beiden, 1973 veröffentlichten Beatles-Samplern The Beatles 1962-1966 und The Beatles 1967-1970 auf, dem legendären Roten und Blauen Album der Fab Four, die in den 1970ern meiner Generation die Beatles nahebrachten. Ein älterer Freund in der Nachbarschaft, Franz mit Namen, hatte mir Beatles For Sale auf einer Musikcassette aufgenommen, die ich auf meinem neuen SABA-Radio-Rekorder, damals ein Wunderwerk der Technik für mich, praktisch pausenlos spielte, bis sie irgendwann kaputt ging, da hatte ich aber schon das Rote und das Blaue Album als Vinyl-Doppel-LPs, die Beatles For Sale LP folgte bald. Eine Offenbarung für mich, die Licht und Hoffnung in meine Provinzjugend brachte und mein Leben, innerlich jedenfalls, entscheidend veränderte.

Die Aufnahmen für Beatles For Sale mussten im prallen Terminkalenderder Beatles zwischen die vielen anderen Verpflichtungen gezwickt werden. Diesem Termindruck und einem dringend nötigen, aber fehlenden kreativen Durchschnaufen ist geschuldet, dass sich auf Beatles For Sale nur acht neue Beatles-Originale finden, dazu sechs Coverversionen alter Rock’n’Roll- und Rhythm-&-Blues-Hadern, die schon zu Beginn ihrer Karriere im Liverpooler Cavern Club und in den Hamburger Reeperbahn-Clubs im Repertoire der Beatles waren. Chuck Berrys Rock And Roll Music und Dr. Feelgoods Mr. Moonlight – beide von John inbrünstig gesungen. Kansas City, im Arrangement von Little Richard, furios gerockt von Paul. Buddy Hollys Words Of Love, im Duett von John und Paul gesäuselt. Und zwei Kracher von Carl Perkins, Everybody’s Trying To Be My Baby, als cooler Country-Swing von George rübergebracht, dazu Honey Don’t, von Ringo im Country-Stil gerockt. Das war das letzte Mal, von den 1969er Get-Back-Sessions mal abgesehen, dass die Fab Four die Plattentruhe mit den Hits ihrer Jugend plünderten.

Seite eins der LP wird von einem umwerfenden Lennon-McCartney-Trio eröffnet. Auf Johns Liebesleid-Klage No Reply, folgt sein Selbstzweifler I’m A Loser, sein bis hierhin persönlichster Song, der schon den Einfluss von Bob Dylan spüren ließ. Im Jänner 1964 sollen die Beatles nämlich nichts anderes im Hotel gehört haben als Dylans zweites Album The Freewheelin‘ Bob Dylan, das Paul vor Ort von einem französischen Radioreporter bekommen hatte, und Dylans gleichnamiges Debütalbum, dass sie sogleich selbst in einem Pariser Plattenladen kauften. John und Pauls Duett Baby’s In Black wirkt ähnlich niedergeschlagen wie die ersten beiden Lieder, erst Rock And Roll Music hebt die Stimmung, ebenso Pauls wundervoll perlende Ballade I‘ll Follow The Sun, die buchstäblich die Sonne aufgehen lässt, bevor Mr. Moonlight und Kansas City am Ende nochmal losfetzen und die Wände  wackeln lassen.

Seite zwei  wird vom populärsten Song des Albums, dem Wohlfühl-Hit Eight Days A Week, eröffnet, den die Beatles angeblich nie so recht gemocht haben, vor allem John Lennon nicht. Paul McCartney allerdings spielte es immer wieder in seinen Konzerten bis ins neue Jahrtausend, solange noch Tourneen möglich waren und nach Corona auch wieder. Der Rest von Seite zwei ist in der Folge vielleicht nicht ganz so stark und prickelnd wie die erste Seite. Words Of Love singen John und Paul in einem hübschen Duett, erstaunlicherweise ist es der einzige Song von Buddy Holly, den sie für eine ihrer Platten coverten, obwohl Holly ein großer Einfluss für sie war. Honey Don’t ist Ringos großer Country-Moment. Pauls Every Little Thing und das musikalisch stärkere What You’re Doing, das mit seiner zwölfsaitigen Gitarre den Folkrock-Sound der Byrds vorwegnimmt (und beeinflusst hat) handeln von Pauls komplizierter Liebesbeziehung mit der englischen Schauspielerin Jane Asher, die nicht nur die Freundin eines berühmten Popmusikers sein wollte, sondern eben auch Schauspielerin. Auch am Country-Flair von I Don’t Want To Spoil The Party lässt sich erkennen, dass die Beatles Countrymusik wirklich mochten. Gesungen wird es von John und Paul, die es eigentlich für Ringo geschrieben hatten, Johns persönlicher Text lamentiert über sein Unvermögen, den Verlust einer Geliebten zu verschmerzen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Mit dem coolen Country-Swing Everybody’s Trying To My Baby setzt George den Schlusspunkt auf Beatles For Sale, das mir ein wertvoller Teil meiner Plattensammlung ist.

The Beatles Beatles For Sale, Odeon/EMI Records, 1964

© Beatles For Sale Pics by the author.

Als Sgt. Pepper der Band das Spielen gelehrt hat

Vor 56 Jahren ist “Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, das legendäre Album der Beatles, veröffentlicht worden.

Am 1. Juni 1967 wurde im Vereinten Britischen Königreich in London Geschichte geschrieben, als The Beatles ihr legendäres Album Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band veröffentlichten, ihr definitives Meisterwerk und der kreative Höhepunkt ihrer Karriere. Sgt. Pepper’s sollte nicht nur die Popgeschichte revolutionieren wie keine andere Platte, sondern gleich auch die Weltgeschichte mit seinem immensen Einfluss auf die soziale und jugendkulturelle Entwicklung in den 1960ern (und 1970ern).

Die Diskussion, ob vielleicht doch das 1966er Album Revolver die bessere Platte sei – geschenkt. Erstens haben die Beatles sowieso keine schlechte Platte gemacht, jede einzelne hat ihre Qualität und ihren ganz besonderen Appeal. Zweitens entwickelten sich die Beatles nach den ersten starken Yeah-Yeah-Yeah-Beat-Platten Please Please Me (1963), With The Beatles (1963) und A Hard Day’s Night (Soundtrack plus, 1964) sowie den brillanten Übergangsplatten Beatles For Sale (1964) und Help (Soundtrack plus, 1965) mit den beiden Sgt. Pepper’s vorausgegangenen, wagemutigeren, experimentelleren, von Bob Dylan und diversen illuminierenden Substanzen beeinflussten Alben Rubber Soul (1965) und Revolver enorm weiter. Ein Quantensprung quasi.

Dennoch sucht Sgt. Pepper’s seinesgleichen. Nicht umsonst rockte Jimi Hendrix, derart mächtig geflasht vom Sgt. Pepper’s Album, nur drei Tage später den Titelsong gleich zu Beginn seines Konzerts im Londoner Saville Theatre, Paul McCartney und George Harrison waren im Publikum. „Jimi fing an, die Vorhänge flogen zurück, und er kam auf die Bühne  und spielte Sgt. Pepper’s, das doch erst am Donnerstag davor veröffentlicht worden war. Das war das ultimative Kompliment“, erinnert sich McCartney.

Nachdem The Beatles am 29. August 1966 im Candlestick Park in San Francisco ihr letztes Konzert vor zahlendem Publikum gegeben hatten, weil sie die ständigen Tourneen leid waren und die Beatlemania-Ekstase der Fans die musikalische Qualität ihrer Konzerte beeinträchtigte, nutzten die Fab Four die frei gewordene Zeit, um in den Londoner Abbey Road Studios, unterstützt von ihrem Produzenten George Martin, im wahrsten Sinne des Wortes befreit an neuen Songs und Sounds herum zu experimentieren.

Wie es zur Idee für die Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band kam, erzählt Paul McCartney in seiner 2021 veröffentlichten autobiographischen Song-Anthologie Lyrics: Er war in die USA nach Denver geflogen, wo seine damalige Freundin, die Schauspielerin Jane Asher, in einer Shakespeare Produktion spielte, und machte mit ihr dort ein paar Tage entspannenden Urlaub. Auf dem Rückflug saß er neben dem Beatles-Roadie und Mädchen für alles Mal Evans, der ihn beim Essen fragte, ob er ihm Salz und Pfeffer, salt and pepper, reichen könne. McCartney aber hörte anderes: „What? Sergeant Pepper?“ Dieser Irrtum setzte einen Gedankenstrom in Bewegung, der darin endete, dass McCartney einen Song für eine fiktive Band, die Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, schrieb, deren Musiker quasi in Uniformen kostümierte Alter Egos der Beatles waren, die er auf einem Blatt Papier skizzierte und den anderen Beatles zeigte: „Das befreite uns von unserem normalen Beatles-Denken und erlaubte uns noch abenteuerlicher zu experimentieren bei der Aufnahme unseres nächsten Albums“, so McCartney, der in Lyrics auch zugibt: „Ich hatte in Denver etwas LSD genommen, und das ganze Sgt. Pepper-Ding war ein Spiel, das ich spielte nach diesem Trip. Die anderen liebten es. Es war befreiend und gab uns eine gewisse Anonymität  und auch neuen Auftrieb.“ Das Resultat all dessen, so der „fünfte Beatle“, Produzent George Martin: „Die innovativste, ideenreichste, fantasievollste und einflussreichste Platte ihrer Zeit, ein Trendsetter ohnegleichen“ – Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band.

Record Collection N° 166: Paul McCartney “McCartney III” (Capitol Records, 2020)

Paul McCartney: „McCartney III“

Paul McCartney beweist, dass er weder seinen Biss, seinen Schaffensdrang, seine Spielfreude noch seine kreative Muse verloren hat.

Nach Paul McCartneys exzellentem Album Egypt Station ist auch McCartney III kein lahmes Im-Spätherbst-des-Lebens-Album geworden. McCartney hat weder seinen Biss, seinen Schaffensdrang, seine Spielfreude noch seine kreative Muse verloren. Er macht einfach weiter das, was ein Paul McCartney eben macht, und er macht das mit Esprit und einer Einstellung, die bar jeder Sentimentalität ist. Gebremst wurde der 78-Jährige in seinem Tatendrang nur,  weil das Covid-19-Virus für Konzerte und Live-Musik die Pausetaste drückte, und McCartney Anfang 2020 seine 2019 noch auf Hochtouren laufende Freshen Up-Welttournee unterbrechen musste.

McCartney III ist Paul McCartneys dritte reine Soloplatte, die er in einer Krisensituation veröffentlicht hat. Krisen scheinen ihn aus seiner kreativen Komfortzone zu locken. Die erste Soloplatte, simpel McCartney betitelt, erschien vor fünfzig Jahren im April 1970, nachdem sich gerade die Beatles getrennt hatten. McCartney II folgte vor vierzig Jahren im Mai 1980 auf die Verhaftung von Paul McCartney in Japan wegen Besitzes von Marihuana, und die Trennung der Wings, die McCartney langweilig geworden waren. McCartney III, dem Covid-19-Lockdown geschuldet, ist wie seine legendären Vorgänger eine alleinige McCartney-Affäre, die nebenbei ohne großes Trara auch McCartneys 50-Jahre-Jubiläum als Solokünstler feierte.

Aufgenommen wurde das Album von Paul McCartney im von ihm so genannten Rockdown, im Frühling und Frühsommer 2020 auf dem Land im englischen Sussex, wo der 78-Jährige mit seiner Tochter Mary und deren Familie zurückgezogen in seinem Farmhaus wohnte: „Ich lebte ein Lockdown-Leben auf meiner Farm mit meiner Familie und bin jeden Tag ins Studio gegangen.“ Aus diesen Zeitvertreib heraus entstand McCartney III, obwohl der ewige Beatle für 2020 gar kein neues Album geplant hatte.

Bedrängt durch die Konzertpause und die Covid-19-Isolation arbeitete McCartney in seinem Studio in einer renovierten alten Windmühle nahe der Farm an älteren Songskizzen und brandneuen Kompositionen. Er komponierte und textete schließlich alle Songs für McCartney III, spielte sämtliche  Instrumente und produzierte das Album gleich auch selbst. Das Resultat? Zurück zum Einfachen von McCartney? Etwas Avantgardistisches wie bei McCartney II? Nun, von beidem etwas. Einzige Regel aber: Alles ist möglich, nichts ist fix.

Pauls Tochter Mary McCartney war als Baby auf dem Cover von McCartney mit ihrem Vater zu sehen,für McCartney III hat sie das Coverfoto und alle Albumfotos fotografiert. Nicht der einzige Link in die Vergangenheit von diesem dieses ganz und gar gegenwärtigen Album.  Im Studio mit dabei: Der legendäre Kontrabass von Elvis Presleys Bassisten Bill Black. Ein Mellotron aus den Abbey Road Studios. Eine weiße 1954er Telecaster Gitarre, ein Geschenk von McCartneys jetziger Frau Nancy Shevell. Der Geist des Beatles-Produzenten George Martin, weil McCartney eine ihrer gemeinsamen Aufnahmen von 1992 verwendete. Und sein iPhone, auf dem Macca spontane Songideen aufnimmt.

Eröffnet wird McCartney III vom bluesigen, über fünf Minuten (aber keine Sekunde zu) langen Long Tailed Winterbird, wo McCartney Spur um Spur über Akustikgitarrenakkorde seine Bassgitarre, Schlagzeug, rückwärtslaufende Tapes, E-Gitarre und seine über die vielen Jahre tiefer, rauer und heiserer gewordene Stimme legt, die hypnotisch ein Mantra summt. Eine Arbeitsweise, die das ganze Album prägt. Beendet wird die Platte mit Winter Bird / When Winter Comes, einer Akustikgitarrenballade, die auf einer Songskizze aus den 1990ern basiert.

Dazwischen lässt Paul McCartney seiner Kreativität frei laufen, ohne sich groß darum zu kümmern, was man vom ewigen Beatle, vom genialen alten Meister Paul McCartney erwartet, wenn der eine neue Platte macht. The Kiss Of Venus,das Paul in einem beachtlichen Falsett singt, ist ein ähnlich zartes, zauberhaftes Akustikgitarrenstück wie When Winter Comes. Die Ballade Women And Wives, die er allein mit Stimme und Klavier stemmt, hat was vom Feeling der letzten paar Platten von Johnny Cash. Und so einfache, hinreißend leichtfüßige Poplieder wie Find My Way und Pretty Boys fallen einem Paul McCartney wohl schon am Morgen beim veganen Frühstücksmüsli ein. Die bluesigen Riffrocker Lavatory Lil, vielleicht eine Abrechnung mit einer früheren Bekannten, und Slidin’ rocken heavy Richtung der Black Keys. Während sich das achtminütige Deep Deep Feeling um intensive Emotionen dreht, die „in einem Meer der Liebe brennen“. Dazu verzichtet McCartney auf eine Mitsingmelodie und drapiert über minimalen Beats, Klaviersplittern und einer gespenstischen Bluesgitarre seine eindringlichen Gesangsmantras, „sometimes I wish it would stay … sometimes I wish it would go away“ – was für ein grandioser Track. Ganz anders der pure Wohlfühlsong Seize The Day, der zwischen den Beatles und Wings hin und her pendelt. Und Deep Down, ein sympathisch verschleppter Groover, in dem es irgendwie ums Party machen geht. Mit 78, echt? Vielleicht ja, wenn die Lockdowns endlich vorbei sind. An Weihnachten 2020 war McCartney III jedenfalls auf Platz eins der britischen Albumcharts.

Paul McCartney McCartney III, Capitol Records, 2020

© McCartney III Pics shot by Klaus Winninger

Record Collection N° 42: Paul McCartney “Egypt Station” (Capitol Records, 2018)

On the turntable: Egypt Station

Paul McCartney müsste nichts mehr beweisen, aber er beweist seine Extraklasse mit „Egypt Station“ einmal mehr.

Mein Album des Jahres 2020? Paul McCartneys Egypt Station. Was sonst? Wer 2018, wenn nicht Paul McCartney? Der Sir und ewige Beatle. Weil Paul McCartney erstens damals und überhaupt, der coolste Mensch auf diesem Planeten ist. Weil Paul McCartney zweitens 2018 angesagt war wie nur wer. Beispiele? Die lässige Carpool-Karaoke-Sause in Liverpool mit dem  superlustigen James Corden von der „Late Late Show“, Großbritanniens Humorgeschenk an die USA. Das famose Minikonzert in der New Yorker Grand Central Station zur Veröffentlichung von Egypt Station, das live auf YouTube war. Überhaupt Maccas cooler YouTube Kanal und seine ganze hippe Präsenz in der digitalen Welt der Online-Medien. Die superfantastischen Konzerte seiner laufenden „Freshen Up“-Tournee mit seiner großartigen Band, die in einem grandiosen zweieinhalb Stunden Gig vor zehntausenden euphorischen Fans beim Austin City Limits Fest (gibt’s auch auf YouTube in guter TV-Qualität) gipfelten. Und yeah, weil das alles so gut lief für ihn, war Paul McCartney 2018 angesagt ist wie nur wer. Und das bei Jung und Alt. Ein Blick ins Publikum seiner Konzerte bestätigt das, aber pronto.

Drittens ist Egypt Station nicht irgendein weiteres neues Album von Paul McCartney, sein 18. Soloalbum halt, sondern eines, bei dem man von Anfang an sicher ist, dass der ewige Beatle, nicht einfach auf Nostalgie-Walz in der Penny Lane unterwegs ist. Man gneißt gleich, dass der Paul McCartney mit Egypt Station noch mal so richtig was reißen will. Und yeah, das hat voll geklappt, Egypt Station war sein erstes Nummer-1-Album in den USA überhaupt.

„Freshen Up“ war nicht nur das Motto der neuen Tournee, sondern auch das Motto der neuen, nach dem Cover-Gemälde von Macca benannten Platte, die Paul McCartney größtenteils alleine aufgenommen hat oder mit den Musikern seiner Live-Band; in den Londoner Abbey Road Studios, in seinem Heimstudio am Land in Sussex und in Los Angeles. Produziert hat bis auf die Single Fuh You (Ryan Tedder von One Republic) Greg Kurstin, der Typ vom amerikanischen Electro-Pop-Duo The Bird and the Bee, der auch schon mal für Adele oder Beck als Produzent arbeitete. Aber was sind schon Namen.

Was zählt ist, dass an Egypt Station alles superfrisch, modern, heutig, zeitgeistig im positiven Sinn ist – alles total präsent und voll relevant, 100% Paul McCartney. Die Produktion, der Sound, die Musik, die schöne Melodien und knackigen Hooklines. Die pointierten Songlyrics. McCartneys Stimme. Jeder der 16 Songs packt einen wie nur was. Von den nonstop aufeinander folgenden Volltreffern auf den ersten Plattenseiten,  I Don’t Know, Come On To Me, Happy With You, Who Cares, Fuh You, Confidante, People Want Peace und weiteren mehr bis zu den komplexeren, nicht weniger spannenden Stücken Despite Repeated Warnings und Hunt You Down/Naked/C-Link auf der vierten Seite. Jeder Song hier lohnt es, näher hinzuhören und sich darauf einzulassen.

Apropos frisch: Paul McCartneys naturgemäß tiefer und brüchiger gewordene Stimme steht seinen neuen Songs genauso gut wie Sir Paul sein nun endlich natürlich ergrauender Beatles-Pilzkopf. Beides lässt ihn nur noch präsenter, realer, authentischer, erscheinen. Ehrlich, wenn ich mal 80Jahre alt bin, wäre ich gern so wie Paul McCartney jetzt. Wäre das nicht cool?  Paul McCartney ist definitiv der coolste Mensch auf unserem Planeten.

Paul McCartney Egypt Station, Capitol Records, 2018

© Egypt Station Pic by Klaus Winninger

Record Collection N° 02: The Beatles „1967-1970“ (Apple Records/EMI, 1973)

Das Rote und das Blaue Doppelalbum der Beatles sind das Fundament jeder Plattensammlung, die etwas auf sich hält. 

Die beiden erstmals im April 1973 veröffentlichten ikonischen Doppelalben der Beatles, das Rote Album, The Beatles 1962-1966, und das Blaue Album, The Beatles 1967-1970, sind die Bibel der Pop- und Rockmusik, quasi das Alte und das Neue Testament des Pop. Sie wurden zuerst am 2. April 1973 in den USA veröffentlicht, am 6. April in Deutschland, Österreich und der Schweiz, und erst am 19. April in der Heimat der Fab Four, in Großbritannien.

Davor gab es keine richtige Best-Of-Platte der Beatles. Zu schnell rasten John, Paul, George und Ringo mit ihren Singles, EPs und Alben von 1962 bis 1970 dahin. Das aus Hitsingles und essentiellen Albumstücken zusammengestellten Rote und auch das Blaue Album der Beatles sind nicht komplett, wie auch, aber sie sind perfekt, und sie nährten und beförderten den Mythos der Beatles nach deren Trennung Anfang 1970 kräftig weiter und gehörten jahrelang zu den weltweit meistverkauften Tonträgern. Ihr Tracklisting ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.

Von Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band bis Let It Be – die Songs auf dem Blauen Album der Beatles haben, wie jene auf dem Roten Album, in den 1960er Jahren die Welt nachhaltig verändert. Sie waren nicht nur der Soundtrack der gesellschaftlichen Veränderung, sie waren selbst aktiver Teil der Revolution. Und sie strahlen fast fünfzig Jahre später immer noch eine unglaublich frische, spannende Modernität aus.

1967-1970 startet auf der A-Seite der ersten LP mit der Doppel-A-Seiten-Single Strawberry Fields Forever und Penny Lane, die auf dem bahnbrechenden 1967er Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band fehlen mussten, obwohl sie zeitgleich aufgenommen wurden, weil ihre Plattenfirma EMI nach einer neuen Single verlangte, um quasi die Wartezeit auf Sgt. Pepper zu verkürzen. Darauf  folgen mit dem fulminant rockenden Sgt. Pepper’s Titelsong drei weitere Kracher aus dem legendären Sgt. Pepper’s-Album, With A Little Help from My Friends, das Trommler Ringo Starr singt, so wie nur er es kann; Johns kunterbuntes Drogen-Spiel Lucy In The Sky With Diamonds; und das geniale, welterschütternde A Day In The Life, für das John und Paul zwei ihrer unfertigen Songs zusammenfügten. Den hymnischen Schlusspunkt setzt All You Need Is Love, das die Beatles eigens für die BBC-Fernseh-Show Our World komponierten, die am 25. Juni via Satellit in 31 Länder übertragen und von mehr als 400 Millionen Menschen gesehen wurde.

Die B-Seite der ersten LP eröffnet John Lennons fantastischer Dada-Rock I Am The Walrus vom Soundtrack ihres ausgeflippten Fernsehfilms Magical Mystery Tour, der am zweiten Weihnachtsfeiertag 1967 von der BBC ausgestrahlt wurde und für die Beatles ungewohnt schlechte Kritiken erhielt. Mit dem aufgekratzten Hello Goodbye, Pauls intensiv flirrender Ballade The Fool On The Hill und dem barock arrangierten Titelsong folgen drei weitere Songs des exquisiten Soundtrack-Albums. Nach Pauls rauschendem Klavierboogie-Rock’n‘Roll Lady Madonna kommen zwei weitere brillante Songdiamanten, Pauls seelenvolle, tief zu Herzen gehende siebenminutenlange Ballade Hey Jude und die prickelnde Stromgitarrenversion von Johns furiosem Rocker Revolution. Unglaublich, was hier auf einer Plattenseite versammelt ist.

Die A-Seite der zweiten LP beginnt mit Back In The USSR vom epochalen 1968er Doppelalbum The Beatles, das nach seinem monochromen Cover White Album genannt wird. Mit George Harrisons glühendem While My Guitar Gently Weeps, bei dem Eric Clapton die Leadgitarre spielte, und Pauls reggaefiziertem Happy-Go-Lucky-Sing-A-Long Ob-La-Di, Ob-La-Da folgen zwei weitere Stücke des Weißen Albums, dessen andere Songs nicht wirklich für ein derartiges Beatles-Porträt geeignet schienen. Danach der Retrorocker Get Back und die Soulballade Don’t Let Me Down, beide vom gestanzten Get-Back-Album-Projekt und mit Billy Preston als fünftem Beatle an den Keyboards. Den Schlusspunkt setzt hier die Single The Ballad Of John Yoko vom Mai 1969, das John und Paul nach der Hochzeit von Yoko Ono und John auf Gibraltar, in den Londoner Abbey Road Studios zu zweit einspielten, mit der B-Seite Old Brown Shoe, einem typischen, unterschätzen Stück von George Harrison.

Auf der B-Seite der zweiten LP gibt es mit Here Comes The Sun und Something zwei von George Harrisons stärksten Songs ever, mit Johns grandiosem Bluesrocker Come Together dazwischen und Ringos spaßig plätscherndem Octopus’s Garden danach zwei weitere Highlights des eigentlich zuletzt aufgenommenen Beatles-Albums Abbey Road. Pauls Jahrhundert-Klavierballade Let It Be, eine Erinnerung an seine an Krebs verstorbene Mutter, Johns magische Psychedelic-Ballade Across The Universe und Pauls von Phil Spector opulent mit Streichern gepolsterte Ballade The Long And Winding Road bilden den Abschluss.

Als ich noch ein junger, taschengeldloser Spund war, hat mir meine liebe Mutter das Rote und das Blaue Album der Beatles gleich nach Erscheinen in Linz gekauft, in einem namhaften Plattengeschäft auf der Landstraße, und damit quasi meine Beatlemania ausgelöst. Danke, Mama!

The Beatles 1967-1970, Apple Records/EMI, 1973

Das Blaue Album Pics © Klaus Winninger

Record Collection N° 01: The Beatles „1962-1966“ (Apple Records/EMI, 1973)

Das Rote und das Blaue Doppelalbum der Beatles sind das Fundament jeder Plattensammlung, die sich selbst respektiert.

Die beiden erstmals im April 1973 veröffentlichten ikonischen Doppelalben der Beatles, das Rote Album, The Beatles 1962-1966, und das Blaue Album, The Beatles 1967-1970, sind die Bibel von Pop und Rock, das Alte und das Neue Testament. Sie wurden zuerst am 2. April 1973 in den USA veröffentlicht, am 6. April in Deutschland, Österreich und der Schweiz, und erst am 19. April in ihrer Heimat Großbritannien.

Davor gab es keine richtige Best-Of-Platte der Beatles. Zu schnell rasten John, Paul, George und Ringo mit ihren Singles, EPs und Alben von 1962 bis 1970 dahin. Das Rote und das Blaue Album der Beatles sind nicht komplett, wie auch, aber sie sind perfekt. Umwerfend sowieso. Ihr Tracklisting ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.

The Beatles 1962-1966 startet auf der A-Seite der ersten LP mit der ersten Single Love Me Do, darauf folgt Please Please Me, ihr erster Nummer-1-Hit, zugleich der Titelsong ihres epochemachendes Debütalbums, das sie an einem Tag in den Londoner Abbey Road Studios mit ihrem Entdecker und Produzenten George Martin einspielten. Nach den hinreißenden Singles From Me To You, She Loves You und I Want To Hold Your Hand, aus jener Zeit, als die Beatles einmal gleich die ersten fünf Plätze der US-Hitparade belegten, kommt All My Loving vom zweiten Beatles-Album With The Beatles und der Riesenhit Can’t Buy Me Love vom grandiosen Soundtrack des ersten Kinofilms der Beatles.

Dessen Titelsong A Hard Day’s Night eröffnet die B-Seite der ersten LP. Die zauberhafte Ballade And I Love Her und Eight Days A Week vom unterschätzten vierten Beatles-Longplayer Beatles For Sale folgen. Die brisante Single I Feel Fine mit ihrem famosen verzerrten Stromgitarrenintro sowie das gigantische Ticket To Ride und Paul McCartney‘s Jahrhundert-Smash Yesterday vom fünften Beatles-Album, dem gleichnamigen Soundtrack-Album zu ihrem zweiten Kinostreifen Help!, folgen.

Die A-Seite der zweiten LP beginnt mit dessen großartigem Titelsong, einem persönlichen Hilferuf von John Lennon, dem die Tretmühle der Beatlemania und seine unbewältigten Kindheitstraumata zusetzten. Danach die fabelhafte Akustikgitarrenballade You’ve Got Hide Your Love Away, welche die Beatles in Help! in einer lässigen Szene cool zum Besten geben. Es folgt die fetzige Doppel-A-Seiten-Single We Can Work It Out und Day Tripper. Sowie das funkige Drive My Car und die Folkrock-Ballade Norwegian Wood (This Bird Has Flown), von Rubber Soul, ihrem zweiten Albummeisterwerk, das stark von Bob Dylan beeinflusst war.  

Auf der B-Seite der zweiten LP gibt es mit Nowhere Man, Michelle, In My Life und Girl vier weitere Hochkaräter von Rubber Soul. Sowie mit Paperback Writer eine starke Single, die auf keinem regulärem Beatles-Album zu hören war, und zwei herrliche Songs von Albummeisterwerk Nummero drei Revolver, Paul McCartneys Eleanor Rigby und das von Ringo Starr herrlich intonierte Yellow Submarine.

Als ich noch ein junger, taschengeldloser Spund war, hat mir meine liebe Mutter, das Rote und das Blaue Album der Beatles gleich nach Erscheinen in Linz gekauft, in einem namhaften Plattengeschäft auf der Landstraße, und damit quasi meine Beatlemania ausgelöst. Danke, Mama.

The Beatles 1962-1966, Apple Records/EMI, 1973

Das Rote Album Pics © Klaus Winninger

“Radio Rock Revolution” (Universal Pictures, 2009): A Salute To The Fabulous Four

When the manic Radio Rock DJ gang salutes The Beatles in a deleted, but crucial scene from Radio Rock Revolution: “Four of the greatest geniuses of our time! The glories of our age, the bringers of joy.”  

Guess I mentioned already that Richard Curtis’ hilarious music comedy Radio Rock Revolution is one of the best movies about the spirit of pop. In another key scene that Richard Curtis didn’t use in the final movie, the exalted Radio Rock DJs sneak one evening off the ship. They are out for a crazy stag party in the pubs and clubs of London because DJ Simple Simon (Chris O’Dowd) will marry his love interest Elenore (named after the Turtles song, played by January Jones of Mad Men fame) the next day. A marriage, that will only last for 17 hours, because Simon already learns in the wedding night, that Elenore just married him, because that was the only way to get the permission to stay onboard Radio Rock, where women are only welcome as visitors, not as permanent residents (the only exception is Felicity, the lesbian cook). The reason why Elenore cheated Simon is her love affair with that cool DJ Gavin Kavanagh (Rhys Ifans). But when they’re out on their stag night none of the DJs knows about this piquancy.

The leader of the gang is the charismatic, but manic American DJ The Count, brought to screen life convincingly by the late, great Philip Seymour Hoffman. In the beginning of the DJs’ frantic trip The Count aligns them in front of the legendary Abbey Road Studios, where The Beatles recorded their music, and declaims on the Fab Four: „This my friends is Abbey Road. Somewhere in there, John, Paul, George, and Ringo are making music. And you know I love American Rock ‘n’ Roll, but I have enough brains in my head to know that we’re standing within 50 yards of four of the greatest geniuses of our time. And no matter how famous we get on Rock Radio, what we really are is fans. You know, fans with attitude, fans with large, attractive cocks, but, you know, fans, nonetheless.  And, gentlemen, I consider it an honour if you would join me on this historic night, in a salute to the Fabulous Four. The glories of our age, the bringers of joy. To our and future generations, because there will always be poverty and pain and war and injustice in this world, but there will, thank the Lord, also always be The Beatles.”

And then, after these affecting words, that still ring very, very true nowadays, The Count and his cohort salute The Beatles. And we definitely could not do any better than join them in their salute.

The Boat That Rocked (Radio Rock Revolution), Universal Pictures, 2009

Record Collection N° 42: Paul McCartney „Egypt Station” (Capitol Records/MPL, 2018)

My favourite album of 2018. What else? Who else? If not Egypt Station and Paul McCartney, the eternal Beatle.

First, Paul McCartney is the coolest human being on this planet. Second, in 2018 Paul McCartney was the flavour of the year, hip and sought-after like no one else. Do you need an example? Well, how about his cool Carpool-Karaoke-Party in Liverpool with James Corden, Great Britain’s humour gift to the USA. Or the mini concert McCartney played in New York’s Grand Central Station when Egypt Station was released, it was transmitted live globally via YouTube. Or Macca’s own cool YouTube channel and generally his hip presence in the digital world of online media. Or the rousing concerts of his current Freshen Up-Tour with his fantastic live band. They peaked in a two hours and a quarter gig at the Austin City Limits Fest in front of ten-thousands of euphoric fans – many of them youngsters. You can watch this concert on YouTube in excellent picture and sound quality. Yeah, Paul McCartney was the Man of the Year in 2018. For many young ones and older ones.

Third, Egypt Station  isn’t just another new album by Paul McCartney, his 18th solo album in total. It’s the one that makes you sure, that he isn’t just bound for a nostalgic trip on Penny Lane. You notice immediately, you feel it with every song, that Macca’s got his muse again and he wants to achieve as much as possible. And yes, Egypt Station was his first number one solo album in the USA since Tug of War 36 years ago.

Freshen Up isn’t only the name of his current tour, it’s also the motto of his new album, that got its name from Macca’s own cover-painting. McCartney recorded most of Egypt Station alone and some stuff also with the musicians of his live band – in London’s Abbey Road Studios, in his home studio in the rural Sussex or in Los Angeles.

Besides the rousing single Fuh You, which is produced by Ryan Tedder (of One Republic fame), the producer of the whole album is Greg Kurstin, the creative mastermind of the U.S. electro-pop-duo The Bird and the Bee, who has already worked as a producer for big names like Adele or Beck. But who cares about big names?

What really counts is, that Egypt Station is fresh, modern, up to date – totally present and relevant to the max. And 100 % Paul McCartney: the production, the sound, the music, the beautiful melodies, the crisp hooklines, the tellingly, trenchant lyrics that are worth hearing and being understood, his singing voice. Egypt Station is a superb song collection. Each of the 16 songs grabs you, and how. The instant hits keep coming on Side A, B, C: I Don’t Know, Come On To Me, Happy With You, Who Cares, Fuh You, Confidante, People Want Peace, Hand In Hand, Dominoes, Back In Brazil and some more. On Side D you hear the more complex, but no less thrilling tracks Despite Repeated Warnings and Hunt You Down/Naked/C-Link, a little song suite like the finale of The Beatles’ Abbey Road album. Each song on Egypt Station rewards you for closer listening and digging deeper.

Paul McCartney’s now deeper and more fragile singing suits his new songs just as well as his now grey Beatles haircut. Both make him more present, more real, more authentic. Honestly, when I’m 78 like he is now, I want to be so cool as Paul McCartney. Now that would be something.

Paul McCartney Egypt Station, Capitol Records/MPL, 2018

(c) Pics shot by Klaus Winninger

Paul McCartney: „Egypt Station“

Turntable / Plattenspieler N° 18: Paul McCartneys „Egypt Station“ ist mein Album des Jahres. Was sonst?

Mein Album des Jahres? Paul McCartneys Egypt Station. Was sonst? Wer 2018 wenn nicht Paul McCartney? Der Sir und ewige Beatle. Weil erstens Paul McCartney heute, grad jetzt und überhaupt, der coolste Mensch auf diesem Planeten ist. Weil zweitens Paul McCartney 2018 angesagt ist wie nur wer. Beispiele? Die lässige Carpool-Karaoke-Sause in Liverpool mit dem  superlustigen James Corden von der „Late Late Show“, Großbritanniens Humorgeschenk an die USA. Das famose Minikonzert in der New Yorker Grand Central Station zur Veröffentlichung von Egypt Station, das live auf YouTube war. Überhaupt Maccas cooler YouTube Kanal und seine ganze hippe Präsenz in der digitalen Welt der Online-Medien. Die superfantastischen Konzerte seiner laufenden „Freshen Up“-Tournee mit seiner großartigsten Band, die in einem grandiosen zweieinhalb Stunden Gig vor zehntausenden euphorischen Fans beim Austin City Limits Fest (gibt’s auch auf YouTube in super TV-Qualität) gipfelten. Und yeah, weil das alles so gut läuft für ihn, ist Paul McCartney 2018 angesagt ist wie nur wer. Und das bei Jung und Alt. Ein Blick ins Publikum seiner Konzerte bestätigt das, aber pronto.

Und weil drittens Paul McCartneys neues Album nicht irgendein weiteres neues Album von Paul McCartney ist, also sein 18. Soloalbum halt, sondern eines, bei dem man von Anfang an sicher ist, dass er, der ewige Beatle, nicht einfach auf Nostalgie-Walz in der Penny Lane unterwegs ist. Man gneißt gleich, dass der Paul McCartney es jetzt noch mal wissen will und mit Egypt Station noch mal so richtig was reißen will. Und yeah, das hat voll geklappt, Egypt Station sein erstes Nummer-1-Album in den USA seit Tug of War vor 36 Jahren.

„Freshen Up“ ist nicht nur das Motto der neuen Tournee, sondern auch das Motto der neuen, nach dem Cover-Gemälde von Macca benannten Platte, die Paul McCartney größtenteils alleine aufgenommen hat oder mit den Musikern seiner Livecombo; in den Londoner Abbey Road Studios, in seinem Heimstudio am Land in Sussex und in Los Angeles. Produziert hat bis auf die Single Fuh You (Ryan Tedder von One Republic) Greg Kurstin, der Typ vom Electro-Pop-Duo The Bird and the Bee, der auch schon mal für Adele oder Beck als Produzent arbeitete. Aber was sind schon Namen.

Was zählt ist, dass an Egypt Station alles superfrisch, modern, heutig, zeitgeistig im positiven Sinn ist – alles total präsent und voll relevant, 100% Paul McCartney: die Produktion; der Sound; die Musik; schöne Melodien; knackige Hooklines; treffende, pointierte Songtexte (sind es wert gelesen und verstanden zu werden); sein Gesang. Jeder einzelne der 16 Songs packt einen wie nur was: von den nonstop aufeinander folgenden Volltreffern, ja Hits, auf den ersten Plattenseiten,  I Don’t Know, Come On To Me, Happy With You, Who Cares, Fuh You, Confidante, People Want Peace und weiteren mehr bis zu den komplexeren, nicht weniger spannenden Stücken Despite Repeated Warnings und Hunt You Down/Naked/C-Link auf der vierten Seite. Jeder Song hier lohnt es, näher hinzuhören und sich näher darauf einzulassen. Sollte man tun.

Apropos frisch: Paul McCartneys naturgemäß tiefer und brüchiger gewordene Stimme steht seinen neuen Songs genauso gut wie Sir Paul sein nun endlich natürlich ergrauender Beatles-Pilzkopf. Beides lässt ihn nur noch präsenter, realer, authentischer, erscheinen. Ehrlich, wenn ich mal 76 Jahre alt bin, wäre ich gern so wie Paul McCartney heute. Wäre das nicht so was von cool?

Paul McCartney Egypt Station, Capitol Records/MPL, 2018

The Beatles: „1962-1966“ / „1967-1970“

 

Die Bibel von Pop und Rock.

Von Love Me Do bis The Long and Winding Road – die Songs auf dem roten und blauen Doppelalbum der Beatles haben in den 1960er Jahren die Welt nachhaltig verändert.     Sie waren nicht nur der Soundtrack der gesellschaftlichen Veränderung, sie waren selbst aktiver Teil der Revolution. Und sie strahlen fast fünfzig Jahre später immer noch eine unglaublich frische, spannungsgeladene Modernität aus.

The Beatles 1962-1966 und The Beatles 1967-1970 sind seit ihrer Erstveröffentlichung im Frühjahr 1973 für nachwachsende Generationen von Fans praktisch die Bibel der Pop- und Rockmusik, die selbst den Sturm und Drang der Punk- und New-Wave-Jahre unbeschadet überstanden hat. Der legendäre, dauerhafte Status dieser beiden Doppelalben resultiert nicht zuletzt daraus, dass es sich bei ihnen nicht einfach um simple Greatest-Hits-Sammlungen wie etwa das anno 2000 veröffentlichte 1 handelt, sondern um bedachtsam zusammengestellte musikalische Porträts der Fab Four aus Liverpool.

Die aus Hitsingles und essentiellen Albumstücken zusammengestellten The Beatles 1962-1966 und The Beatles 1967-1970 nährten und beförderten den Mythos der Beatles seit ihrer Trennung Anfang 1970 kräftig weiter und gehören Jahr um Jahr zu den weltweit meistverkauften Tonträgern. Gelernten Beatles-Fans ist die Songabfolge der beiden Doppelalben längst ebenso sehr in Fleisch übergegangen wie das Tracklisting der originalen Langspielplatten aus den 1960er Jahren. Während die CD-Erstveröffentlichung 1993 noch ärgerlich lieblos zusammengeschustert war, das legendäre Rote Album und Blaue Album in grässliche Plastikboxen packte und auch klanglich unterwältigend remastered war, machen die jetzt neu aufgelegten Editionen im Sog der im Vorjahr wiederveröffentlichten Studioalben der Beatles alles richtig: Vom schönen, aufklappbaren Karton-Digipack über die neu aufgemachten Booklets mit raren Fotos und kundigen Linernotes bis zum brillant remasterten Sound. The Beatles 1962-1966 und The Beatles 1967-1970 sind auch heute noch ein Muss für jede Plattensammlung, die etwas auf sich hält.

The Beatles 1962-1966 / 1967-1970, Apple Records/EMI, 1973/2010

(now! N° 92, Dezember 2010, überarbeitet im September 2018)